Europäischer Gerichtshof

Urlaubskürzung bei Wechsel von Vollzeit in Teilzeit ist nicht zulässig


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Keine Urlaubskürzung bei Wechsel von Vollzeit in Teilzeit

Reduziert ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit von Vollzeit auf Teilzeit und arbeitet er nur noch an einzelnen Wochentagen, wurde bisher sein in der Vollzeit entstandener Urlaubsanspruch entsprechend gekürzt – zu Unrecht wie der EuGH kürzlich entschied.

Die gängige Praxis bei einer Veränderung des Arbeitszeitvolumens sah in Deutschland bisher so aus, dass ein Vollzeitarbeitnehmer, der die Anzahl seiner Arbeitstage verringerte, Resturlaubsansprüche aus der Vollzeitarbeit nur noch anteilig, und zwar orientiert an der neuen Anzahl seiner Arbeitstage, erhielt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte diese Praxis mit Beschluss vom 13.6.2013 (C-415/12) nun für mit Unionsrecht unvereinbar.

Die Kürzung des erdienten Urlaubsanspruchs anlässlich einer Reduzierung der Wochenarbeitstage ist laut EuGH ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot von Teilzeitbeschäftigten und in Anbetracht der unionsrechtlich herausgehobenen Bedeutung des Anspruchs auf bezahlten Erholungsurlaub unionsrechtswidrig.

 

Arbeitnehmerin konnte Urlaub wegen Schwangerschaft und Elternzeit nicht nehmen

Der EuGH beschäftigte sich nach einer Vorlage durch das Arbeitsgericht Nienburg mit dem Fall einer Arbeitnehmerin, die auf der Grundlage eines 2009 geschlossenen Arbeitsvertrags unbefristet vollzeitbeschäftigt war. Im Jahr 2010 wurde die Arbeitnehmerin schwanger und unterlag wegen ihrer Schwangerschaft bis zur Entbindung am 22.12.2010 einem Beschäftigungsverbot. Nach dem Mutterschutz nahm sie Elternzeit in Anspruch und übte ab dem 22.12.2011 eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 3 Arbeitstagen pro Woche aus. In den Jahren 2010 und 2011 konnte die Arbeitnehmerin aufgrund des Beschäftigungsverbots und ihrer Elternzeit ihren Urlaubsrest aus der Vollzeitbeschäftigung in Höhe von insgesamt 29 Tagen nicht nehmen.

Der Arbeitgeber reduzierte den Urlaubsanspruch nach Aufnahme der Teilzeittätigkeit wegen der geringeren Anzahl der Wochenarbeitstage auf 17 Tage.  

EuGH: Anteilige Berechnung ist nicht zulässig

Diese anteilige Berechnung erklärte der EuGH nun für nicht zulässig: Dem Arbeitnehmer müssten bei einem Wechsel von Voll- in Teilzeitbeschäftigung die bis dahin erdienten (Urlaubs-)Ansprüche in vollem Umfang erhalten bleiben, so die Richter. Der anteilige Berechnungsgrundsatz (Pro-rata-temporis) gelte für Ansprüche, die in der Vergangenheit entstanden, aber erst während der Phase reduzierter Arbeitszeit erfüllt werden sollen, nicht.

Eine Regelung, wonach der früher erdiente Jahresurlaubsanspruch entsprechend zu reduzieren und an den Umfang der Teilzeittätigkeit anzupassen ist, ist unwirksam, erklärte der EuGH. Sie widerspricht der EU-Richtlinie 2003/88 und § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten).

EuGH, Beschluss vom 13.6.2013 (C-415/12)  

Auswirkungen für die Praxis

Praktische Auswirkungen kann dies hinsichtlich der Zahl der zu gewährenden Urlaubstage haben, wenn der Umfang der Wochenarbeitstage reduziert wurde. Insbesondere aber sind das Urlaubsentgelt sowie die Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach der Höhe des früheren Vollzeitanspruchs zu berechnen.


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Schlagworte zum Thema:  Teilzeitarbeit , Urlaub
11 Kommentare
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S

Susi1

Wed Jan 07 13:23:57 CET 2015 Wed Jan 07 13:23:57 CET 2015

Gilt das auch für Bundes-/Landesbeamte?

T

Tatjana Gottschalk

Thu Mar 20 10:23:15 CET 2014 Thu Mar 20 10:23:15 CET 2014

Laut meiner Personalabteilung ist man hier in Revision gegangen.
Und Haufe empfiehlt die Berechnung wie zuvor vorzunehmen. Was für mich große Nachteile hätte.

Kennt hier jemand den aktuellen Stand bzw. wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?

s

silke Meier

Tue Oct 08 21:24:53 CEST 2013 Tue Oct 08 21:24:53 CEST 2013

Hallo!
Ich würde gerne noch einmal wissen, ob das o.g Urteit auf jeden Fall für Deutschland auch gilt.

U

Urlaubsfragender

Fri Aug 23 01:07:21 CEST 2013 Fri Aug 23 01:07:21 CEST 2013

Zu dem Beschluss des EuGH vom 13.06.2013 stellen sich mir zwei Fragen:

1) Umrechnung unterjährig erworbener Urlaubsansprüche, die noch nicht genommen wurden

Beispiel:
30 Tage Jahresurlaub (bei 5-Tage-Woche)

01.01. - 31.05.2013: 5-Tage-Woche (d.h. Anspruch auf 5 x 2,5 Tage = 12,5 -gerundet 13- Urlaubstage erworben)
01.06. - 31.12.2013: 4-Tage-Woche (d.h. Anspruch auf 17,5 (18) : 5 x 4 = 14 Urlaubstage)

Die Urlaubstage, deren Anspruch in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 erworben wurde (in dem Beispiel 13 Urlaubstage), wurden bis zum 01.06.2013 NICHT genommen. Das wären nach obiger Rechnung gesamt: 27 Urlaubstage.

Ist anlässlich des veränderten Arbeitsmodells (4-Tage-Woche) ab dem 01.06.2013 eine Reduzierung dieser 13 Tage rechtmäßig (d.h. gesamt: 24 Tage statt 27 Tage) ?


2) Unmöglichkeit, die Urlaubstage in Anspruch zu nehmen

In dem Beschluss vom 13.06.2013 führt der EuGH unter anderem aus, dass es Frau B. in dem Zeitraum der Vollzeitbeschäftigung wegen Beschäftigungsverbots, Mutterschutzes und Elternzeit NICHT MÖGLICH WAR, den Urlaub auszuüben.

Daher stellt sich mir die Frage, ob die Unmöglichkeit zwingende Voraussetzung für die Erhaltung des Anspruchs auf die erworbenen Urlaubstage ist.

Wenn die o.g. 13 Tage also bis zum 31.05.2013 hätten genommen werden können (da keine Unmöglichkeit wegen Beschäftigungsverbots, Elternzeit etc. vorlag), aber noch nicht in Anspruch genommen wurden, darf der in der Vollzeitbeschäftigung erworbene Urlaubsanspruch dann ebenfalls nicht gekürzt werden?

Vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen im Voraus!

M

Mutter

Tue Jul 30 23:22:38 CEST 2013 Tue Jul 30 23:22:38 CEST 2013

Ist der Beschluss EuGH, Beschluss vom 13.6.2013 (C-415/12) nun bindend für o.g. Fälle (Resturlaub nach Elternzeit mit Verringerung Arbeitszeit) in Deutschland?

M

Michael Trautmann

Thu Jul 25 12:35:36 CEST 2013 Thu Jul 25 12:35:36 CEST 2013

1) Wie verhält es sich bei Erhöhung der Arbeitszeit und Erweiterung der Tagewoche?
Anwendungsfall 50% Beschäftigte in 3-tage-Woche wechselt in in ein 75% Beschäftigungsverhältnis mit einer 5-Tage-Woche.
Logisch der o.g. Entscheidung folgend, würde die Beschäftigte weniger Urlaubsanspruch erhalten.

2) Ist hier möglicherweise nur der gesetzliche Mindesturlaub betroffen ?

P

Personal Abteilung

Thu Jul 25 10:26:12 CEST 2013 Thu Jul 25 10:26:12 CEST 2013

Ist dies nicht bereits in der Vergangenheit ähnlich vom EuGH bei jahresübergreifenden Urlaubsübertragungen geurteilt worden (EuGH, Urteil vom 22.4.2010, C-486/08)? Für mich wird aus dem Artikel nicht ganz ersichtlich, ob dieses neue Urteil nun auch für die unterjährige Berechnung des Urlaubs bei Veränderungen der Arbeitszeit (also ohne vorliegende Urlaubsübertragungen) gilt.