Kommunale Insolvenz

Das jüngst in den USA eingeleitete Insolvenzverfahren der Stadt Detroit sorgt für Diskussionen über mögliche Insolvenzverfahren von Kommunen in Deutschland. Hierzu gibt es bisher keine gesetzliche Grundlage. Was würde ein Insolvenzrecht für Kommunen in Deutschland bedeuten und wie erkennt man frühzeitig eine Überschuldungsgefahr?

Das Insolvenzrecht unterliegt in den USA ausschließlich der Bundesgesetzgebung. Die Erfahrungen in den amerikanischen Kommunen haben gezeigt, dass ein staatliches Schuldenregulierungsverfahren in Anlehnung an das existierende privatrechtliche Insolvenzrecht durchaus verwirklichbar erscheint.

Insolvenz einer Kommune: Beispiel Detroit

Das neuste Beispiel in den USA ist die Stadt Detroit im Bundesstaat Michigan. Es ist die größte Pleite einer Stadt in der US-Geschichte. Insgesamt sitzt Detroit auf rund 18,5 Milliarden Dollar Schulden. Die jährlichen Zinsen von 246 Millionen Dollar kann die Stadt nicht mehr bedienen. Vor dem Insolvenzantrag hat sich die Stadt bemüht, die Gläubiger zum Verzicht auf einen Großteil ihres Geldes zu überreden. Die Kreditgeber sollten bis zu 90 Prozent ihres Geldes abschreiben. Von den Bediensteten der Stadt wurde verlangt, dass sie auf einen Teil ihres Gehalts, ihrer Gesundheitsleistungen und ihrer Rentenansprüche verzichten. Eine Einigung blieb aus, das Insolvenzverfahren war nicht mehr abzuwenden.

Insolvenzverfahren für Kommunen in Deutschland?

Obwohl es in Deutschland kein Insolvenzrecht für Kommunen gibt, sind einige Städte und Gemeinden zahlungsunfähig geworden bzw. haben sich überschuldet. In Baden-Württemberg ist hier zum Beispiel die Stadt Aulendorf mit knapp 10.000 Einwohnern zu nennen. Vor allem durch ein Missmanagement im Kurbereich wurde ein Schuldenstand von ca. 62 Mio. EUR angehäuft, was einer jährlichen Zinszahlung von ca. 2,5 Mio. EUR nach sich zieht. Hier wären eindeutig die Tatbestände Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, die eine Insolvenz begründen, gegeben. Eine finanzielle Hilfe erfolgte über den kommunalen Finanzausgleich.

Von der Krise zur kommunalen Insolvenz – die Zeichen deuten

Bevor die Tatbestände einer kommunalen Insolvenz  eintreten, zeichnen sich bereits im Vorfeld  durch entsprechende Kennzahlen die drohenden Finanzprobleme bzw. die nahende Krise ab. Je schneller die dafür verantwortlichen Gründe erkannt werden, desto wahrscheinlicher ist die Abwendung einer kommunalen Insolvenz.

Messgrößen: Kennzahlen und Indikatoren

Im Gegensatz zur Privatwirtschaft sind viele Ziele in der öffentlichen Verwaltung nicht allein mit monetären Größen wie Gewinn, Umsatz o. ä. zu messen. Die Ziele, die politisch gesetzt sind, müssen gleichwohl überwacht werden, wenn ein wirtschaftlicher und wirksamer Mitteleinsatz im Sinne der Zielerreichung gewährleistet werden soll.

Zur Konkretisierung der Zielsetzung und zur Überwachung der Zielerreichung ist der Einsatz von Messgrößen – Kennzahlen und Indikatoren – erforderlich. Im Folgenden einige Kennzahlen, die auf den Tatbestand einer Insolvenz hinweisen:

  • Der Liquiditätsgrad zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit

  • Die Fremdkapitalquote, um einen Überschuldungsstatus festzustellen. Die Fremdkapitalquote zeigt den Anteil des Fremdkapitals am Gesamtkapital einer Kommune. Sie dient dazu, das Kapitalrisiko zu beurteilen. Das heißt, dass bei steigendem kurz-, mittel- oder langfristigem Fremdkapital auch die Neuaufnahme von Krediten schwieriger werden kann. Sie ergibt sich aus der Bilanzsumme abzüglich des Eigenkapitals. Alternativ kann auch eine Überschuldungsbilanz aufgestellt werden.

Wie könnte ein deutsches kommunales Insolvenzrecht aussehen?

Sollte ein kommunales Insolvenzrecht eingeführt werden, kommt der Rechtsaufsichtsbehörde eine besondere Bedeutung zu. Sie müsste dann bei ihrer Prüfung auch die Kennzahlen einer Insolvenz einbeziehen und bei Bedarf die entsprechenden Maßnahmen einleiten.

Sollten die Tatbestandsmerkmale einer kommunalen Insolvenz vorliegen oder zumindest die Gefahr bestehen, diese zu erreichen, so könnte die Rechtsaufsichtsbehörde  zunächst über ihr Beanstandungsrecht auf die Gemeinde Einfluss nehmen. Sollte dies nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen, so müsste sie über das Anordnungsrecht eingreifen indem sie zum Beispiel ein Haushaltskonsolidierungskonzept vorschreibt. Dies könnte als „Insolvenzplan“ angesehen werden, in dem der Gemeinderat geeignete Strategien nachweisen müsste, wie man eine kommunale Insolvenz verhindern könnte.

Der Bürgermeister müsste verpflichtet werden, einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde zu stellen, die dann einen „Insolvenzbeauftragten“ bestellt, der an Stelle der kommunalen Organe tätig wird. Er stellt einen Insolvenzplan auf, mit dem die dauerhafte Sicherstellung der kommunalen Aufgabenwahrnehmung wieder ermöglicht wird. Sobald die Forderungen gegen die Insolvenzmasse abgewickelt sind und die kommunalen Aufgaben auf einen dauerhaft tragfähigen Umfang reduziert wurden, kann dann das Verfahren mit der Neuwahl der Kommunalgremien abgeschlossen werden.

Auswirkungen einer Insolvenz auf die Kommunen

Ein kommunales Insolvenzverfahren würde die Handlungsfähigkeit einer Kommune erheblich einschränken. Zudem würde kein 100-prozentiger Gläubigerschutz bestehen, was dazu führen würde, dass vor allem die Darlehen teurer werden. Die Folge wäre ein kommunales Rating, das die Höhe der Kreditzinsen bestimmen würde. Dies wird schon im Zuge der Einführung von Basel III diskutiert, wonach die Kreditvergabe an den öffentlichen Sektor eingeschränkt werden kann. Damit würde die Gefahr einer Überschuldung wesentlich verringert werden. Für Altschulden müsste ein Schuldentilgungsfonds eingerichtet werden.

Im Falle einer kommunalen Insolvenz müsste ein „Insolvenzverwalter“ von der Kommunalaufsicht eingesetzt werden, der die bisherigen Organe ersetzt. Dadurch würden diese nur noch beratenden Charakter haben und seinen Weisungen unterliegen.