Rz. 24

Auch nach der Geburt kann ein individuelles und auch teilweises Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden, wenn die Mutter aus ihrer besonderen Situation heraus eine Verlängerung der Schutzwirkung benötigt. Durch § 16 Abs. 2 wird der Frau eine gewisse, in der individuellen Leistungsfähigkeit begründete weitere Schonzeit eingeräumt.

Entscheidend ist, dass auf die individuelle Situation der Frau abgestellt wird.

 

Rz. 25

Nach § 16 Abs. 2 dürfen Frauen, die in den ersten Monaten nach der Entbindung nach ärztlichem Zeugnis nicht voll leistungsfähig sind, nicht zu einer ihre Leistungsfähigkeit übersteigenden Arbeit herangezogen werden. Die verminderte Leistungsfähigkeit muss im kausalen Zusammenhang mit der Schwangerschaft oder der Entbindung stehen und kann nur innerhalb der "ersten Monate" nach der Entbindung Berücksichtigung finden. Diese zeitliche Beschreibung ("erste Monate") ist unbestimmt, das Gesetz nennt keinen genauen Zeitraum. Die zeitliche Grenze ist unbestimmt, weil die individuelle gesundheitliche Situation der Frau Berücksichtigung finden soll. Die gesetzgeberische Formulierung "Monate" zielt durch Verwendung des Plurals auf eine mehrmonatige Bewertungsfrist ab. In der Praxis wird der Arzt einen kalendermäßig definierten Zeitraum durch Datumsangabe wählen, ähnlich wie bei der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Ein erstes Zeugnis über die Leistungseinschränkung kann demnach auch verlängert werden, sofern die Voraussetzungen weiter vorliegen.

Die Vorlage, einschließlich der Beschaffung des Zeugnisses, obliegt der Anspruchstellerin, die auch die Kosten dafür zu tragen hat. Das Dokument nach § 16 wird im Interesse der Anspruchstellerin ausgestellt. Im Gegensatz dazu regelt § 9 Abs. 6 Satz 2 MuSchG, dass die Kosten für Zeugnisse und Bescheinigungen, die die schwangere oder stillende Frau auf Verlangen des Arbeitgebers vorzulegen hat, vom Arbeitgeber zu tragen sind.

 

Rz. 26

Die verminderte Leistungsfähigkeit ist damit kein Dauerzustand., Der Gesetzgeber räumt nur eine Schonfrist, keine längerfristige oder gar dauerhafte Minderung ein. Für den Arbeitgeber ist das schwer zu bewerten, in vielen Berufen ist die Leistungsfähigkeit nicht unmittelbar messbar. Daher kommt es in diesen Fällen auf die medizinische Feststellung an, die wohl eher an einer zeitlichen Inanspruchnahme (z. B. keine Schichtarbeit oder reduzierte Arbeitszeit als Tageshöchstarbeitszeit oder Wochenarbeitszeit) Orientierung findet oder auf Grundlage getakteter Arbeit (Akkordarbeit, Fließband) erfolgt.

Teilweise wird als Obergrenze der nachgeburtlichen Fristen eine Höchstgrenze von 6 Monaten angegeben[1], um eine insgesamt betrachtete Wiederherstellung der vorgeburtlichen Leistungsfähigkeit festzustellen. Dies ergibt sich aus der 8-wöchigen Frist nach § 3 Abs. 2, sowie dem Wortlaut "Monaten" – damit mindestens 2, sodass hierdurch bereits rund 4 Monate nachgeburtlicher Schonung erreicht werden.

 

Rz. 27

Das Beschäftigungsverbot tritt kraft Gesetzes mit unmittelbarer Wirkung ein, sobald das Attest über die Leistungsfähigkeit beim Arbeitgeber eintrifft.[2] Ab diesem Zeitpunkt hat der Arbeitgeber positive Kenntnis; Zuwiderhandlungen werden sanktioniert. Auch die vor- und nachgeburtlichen Beschäftigungsverbote bedürfen keiner weiteren Umsetzung, sie gelten unmittelbar.

Ein ärztliches Zeugnis kann bei veränderter Sachlage aktualisiert werden; es kann bei unzutreffenden Tatsachen auch nachträglich korrigiert oder widerrufen werden.

Der Begriff "Arbeiten" ist weit zu verstehen. Es gehören nicht nur die konkret geschuldeten Tätigkeiten dazu. Auch mittelbar notwendige Tätigkeiten wie das Absolvieren von Dienstreisen oder andere vom Direktionsrecht gedeckte Tätigkeiten gehören hierunter.

Für die Konstellationen des § 16 Abs. 2 gelten die gleichen Vorgaben für die ärztlichen Dokumente und Verfahren wie für § 16 Abs. 1. In der Praxis sind die Fälle des § 16 Abs. 2 eher selten.

Der Arbeitgeber kann durch Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes mit geringeren Anforderungen reagieren. Das gesetzliche Verbot, durch die Beschäftigung die Leistungsfähigkeit zu übersteigen, kann auch durch Verringerung der Arbeitszeit oder einen anderen Aufgabenumfang erfüllt werden. Der Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG umfasst auch Entgeltreduzierungen durch eine teilweise Beschäftigung.

 

Rz. 28

Auch ein teilweises Beschäftigungsverbot ist möglich. Es bezieht sich auf einzelne Elemente der Tätigkeit, einzelne Örtlichkeiten des Betriebes oder Tätigkeitsinhalte. Möglich sind auch zeitliche Einschränkungen, um den Wechsel zwischen Freizeit (für weitere Erholungszwecke) und Arbeitsbelastung mehr in Richtung der Freizeit zu schieben. Die Bezugnahme auf die Teile der Tätigkeit muss hinreichend spezifizierbar sein, sodass der Arbeitgeber als Adressat des Beschäftigungsverbots[3] entsprechend reagieren und die organisatorischen Maßnahmen einleiten kann. Dazu muss der Arbeitgeber z. B. die Arbeitsverteilung anders organisieren oder Ersatzkräfte einstellen. Auch die Prüfung von mobil...

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