Schafft das Mitarbeitergespräch ab!

Kommunikation ist die Grundlage guter Führung - gerade mit Blick auf das durch das Homeoffice bedingte Führen aus der Ferne. Trotzdem fordert Gastautor Stefan Döring die Abschaffung des Mitarbeitergesprächs, denn beim Thema Mitarbeitergespräch läuft einiges schief.

Der Zwang zum Gespräch

Wenn ich von „Mitarbeitergespräch“ spreche, meine ich das institutionalisierte Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Es gab offensichtlich Anlass, festzulegen, dass sich die beiden mindestens einmal im Jahr auszutauschen haben. Vermutlich waren der Grund dafür Führungskräfte, die dies eben nicht einmal jährlich freiwillig hinbekommen haben.

Ist es da eine gute Lösung, das Gespräch zu erzwingen? Die Führungskräfte, die das Gespräch vorher schon eher haben ausfallen lassen, tun mit der Verpflichtung nun genau das: Sie führen einmal im Jahr ein Gespräch. 364 Tage dann eben nicht. Und sie glauben, alles richtig zu machen.

Manchmal lief es dank beiderseitigem Vertrauen und maximal entfernten Aufgabengebieten aber auch so reibungslos, dass es keinen Grund für das Gespräch gab. Da stellt sich allerdings die Frage, warum es in dieser Situation überhaupt eine Führungskraft gibt, wenn sie nicht wenigstens einmal im Jahr gebraucht wird?


Maximale Aufladung

In den meisten Organisationen des Public Sectors und auch vielen Unternehmen ist das Mitarbeitergespräch aber vor allem der Moment, in dem Feedback verteilt wird. Und das mit massiven Konsequenzen: Dienstliche Beurteilung, Leistungsorientierte Bezahlung, Prämien, Beförderung.

Unter dem Mantel der Gleichbehandlung soll das erzwungene Gespräch diese Entscheidungen vor allem rechtssicher abbilden: Die Kriterien, an denen die Leistung möglichst objektiv gemessen wird, werden kommuniziert, Unterschriften werden eingeholt, Gesprächsinhalte dokumentiert. Darum ist das Mitarbeitergespräch auch verpflichtend. Und darum kommt auf beiden Seiten des Tisches keine Freude dabei auf – gerade dann, wenn die Botschaften nicht nur positiv sind.

Aber es kommt noch dicker. Die Gesprächsleitfäden des Personalmanagements listen auf, was so ein Mitarbeitergespräch außerdem alles enthalten soll: Feedback – natürlich gegenseitig, Anerkennung, Arbeitsklima, Konflikte, BGM, Vereinbarkeit von Beruf und Privatem, die Frage nach Ideen und Innovationen, Fortbildungsbedarf oder -wunsch, Vorstellungen zur Karriere, alte und neue Ziele, Unterstützungsangebote, Arbeitsplatzsicherheit. Politisch gewollt sind zudem Themen zur Diversität, LGBTQ und psychischen Gesundheit. Zu guter Letzt darf das private Schwätzchen als „Opener“ nicht fehlen. Es gibt schon einen Grund, warum das „angenehme Atmosphäre schaffen“ ein wichtiger Punkt ganz oben auf der Liste ist. Nach Entspannung hört sich das alles nämlich nicht an.


Checklisten sind das Gegenteil von Augenhöhe

Wer sich auf so einen Termin optimal vorbereiten will, muss im Grunde das Ganze Jahr Notizen machen und Nachweise sammeln. Denn wer erinnert sich schon im Dezember daran, welche besonderen Leistung man im Januar erbracht hat? Auf beiden Seiten müsste jeder Punkt der Checkliste vorbereitet werden. Seien wir ehrlich: Wie viele Kollegen machen das so in der Praxis? Und wenn man es dann wirklich ernst meint, dauern diese Mitarbeitergespräche dann wesentlich länger als die 1 Stunde, die man dafür üblicherweise ansetzt.

Das Mitarbeitergespräch wird vielmehr durch seine strukturellen Vorgaben zur Qual – für beide Seiten. Glauben Sie nicht? Dann machen Sie gerne einen Test: Laden Sie ihre Mitarbeiter zum Mitarbeitergespräch ein. Und zwar knapp 2 Monate nach dem letzten Gespräch, statt die üblichen 12 Monate zu warten. Am besten mit kurzer Vorbereitungszeit. Mehr Angst können Sie kaum erzeugen. Wir haben verlernt, einfach mal miteinander zu reden.

Ja, nicht wenige Beschäftigte haben Angst vor dem Gespräch, das ihnen eigentlich als Führungsinstrument zu Gute kommen soll. Führungskräfte im Übrigen auch, denn die Personalabteilung hat ihnen eingeschärft, dass, wenn sie nur einen Punkt der Checklisten vergessen und es passiert etwas, dann... Aus einem Gespräch auf Augenhöhe wird so ein ungeliebter Termin, den die Führungskraft thematisch dominiert. Ein Gespräch gleichberechtigter Partner entwickelt sich so jedenfalls nicht.


Lasst los!

Wie kommt man aus so einer verfahrenen Situation weder heraus? Zunächst hilft es, sich von den Checklisten, Unterschriften und dem Zwang zum Gespräch zu trennen. Das heißt, es braucht mindestens zwei Termine. Einmal den organisatorisch verpflichtenden in Form der jährlichen, knappen Sicherheitsunterweisung. Macht keinen Spaß, muss aber sein und geht schnell vorbei. Das andere als ein echtes Gespräch mit dem Fokus auf der Personalentwicklung. Habt Mut und werft die Checklisten dafür weg!

Niemand sagt, dass man nicht deutlich häufiger miteinander reden darf als einmal im Jahr. Damit mehr Raum für solche echten Gespräche ist, dürfen Führungskräfte zweitens nicht mehr so viel Sachaufgaben übernehmen. Der Obersacharbeiter als Chef hat ausgedient. Manch Führungskraft sollte da seine Rolle nochmals ernsthaft überdenken.


Sprecht miteinander!

Führungskräfte werden für das Mitarbeitergespräch geschult. Warum nicht auch die Mitarbeiter? Es bedarf schon einiges an Mut, Kritik an der Person zu äußern, die einen bewertet. Oder überhaupt im Tagesgeschäft um ein persönliches Gespräch zu bitten. Auch ist es schwer, fehlendes Lob einzufordern oder sich gegen falsche Vorwürfe adäquat und argumentativ zu wehren. Ein dritter Schritt ist daher, gleiche Bedingungen zu schaffen. Dazu gehört, dass auch Mitarbeitern Kompetenzen in der Gesprächsführung vermittelt werden.

Es gilt viertens, sich auf die Menschen einzulassen. Die eine Kollegin braucht gar keine Gespräche und meldet sich von selbst bei Fragen oder der Suche nach Unterstützung. Der andere Kollege hat öfter Bedarf und fordert regelmäßig Feedback ein. Auch Führungskräfte sind verschieden. Die einen wollen zu viel reden, die anderen fassen sich eher kurz. Man muss seine Bedürfnisse artikulieren und sich auf einander einstellen.

Das wichtigste ist aber die Ermutigung, Dinge anders sehen zu dürfen, aus Fehlern zu lernen, Kritik zu äußern und bei Bedarf einen Unparteiischen hinzuzuziehen. Es ist beim Mitarbeitergespräch wie so oft: Die Unternehmenskultur bestimmt die Spielregeln.


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