Waffengleichheit in der Eigentümerversammlung

Wird eine WEG in der Eigentümerversammlung wegen des Vorgehens gegen einen Eigentümer durch einen Anwalt beraten, kann sich der betroffene Eigentümer in der Versammlung ebenfalls von einem Anwalt begleiten lassen.

Hintergrund: Anwalt wird von Versammlung ausgeschlossen

In einer Wohnungseigentumsanlage hatte eine Eigentümerin in ihrem Sondereigentum Baumaßnahmen durchgeführt, die auch das Gemeinschaftseigentum betrafen. Daraufhin beraumte der Verwalter eine Eigentümerversammlung an. Die Eigentümerin benannte gegenüber dem Verwalter ihren Rechtsanwalt sowie den Bauleiter als Vertreter. Beide erschienen in der Eigentümerversammlung.

Per Geschäftsordnungsbeschluss sprachen sich die Eigentümer gegen die Anwesenheit des Anwalts und des Bauleiters aus, die daraufhin den Raum verließen. In der Gemeinschaftsordnung ist vorgesehen, dass sich ein Wohnungseigentümer nur durch den Verwalter, seinen Ehegatten oder einen anderen Wohnungseigentümer vertreten lassen kann.

Als Berater der übrigen Eigentümer war ein weiterer, von der WEG beauftragter Rechtsanwalt erschienen. Dieser nahm an der Versammlung teil. Vor der Abstimmung zu TOP 2 erschien auch die Eigentümerin, die die Baumaßnahmen durchgeführt hatte.

Unter TOP 2 beschlossen die Eigentümer, den Verwalter zu ermächtigen, wegen der Umbauten und Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum gegen die Eigentümerin vorzugehen und einen Rückbau durchzusetzen.

Gegen diesen Beschluss hat die Eigentümerin Anfechtungsklage erhoben. Sie meint, ihr Rechtsanwalt sei zu Unrecht von der Versammlung ausgeschlossen worden. Da auch der von der Gemeinschaft beauftragte Anwalt an der Versammlung teilgenommen habe, könnten sich die übrigen Eigentümer aus Gründen der Waffengleichheit nicht auf die Vertreterklausel aus der Gemeinschaftsordnung berufen.

Entscheidung: Ausschluss war unzulässig

Die Anfechtungsklage hat Erfolg. Der Anwalt der Eigentümerin wurde zu Unrecht von der Versammlung ausgeschlossen.

Zwar gehört der Rechtsanwalt nicht zu dem Personenkreis, der nach der Gemeinschaftsordnung berechtigt ist, einen Wohnungseigentümer zu vertreten. In einem solchen Fall ist ein Bevollmächtigter grundsätzlich weder teilnahme- noch stimmberechtigt. Er kann trotz wirksamer Bevollmächtigung oder schriftlicher Vollmachtsurkunde von der Teilnahme an der Versammlung ausgeschlossen werden.

Allerdings kann die Gemeinschaft nach Treu und Glauben gehalten sein, auf der Vertretungsbeschränkung nicht zu bestehen. So ist es hier.

Der Sinn einer Vertretungsbeschränkung liegt darin, fremde Einflüsse von der Gemeinschaft fernzuhalten und zu verhindern, dass interne Gemeinschaftsangelegenheiten nach außen getragen werden. Gegen diesen Zweck wird nicht verstoßen, wenn ein Wohnungseigentümer eine Person bevollmächtigt, die ihn nach dem reinen Wortlaut der Vertreterklausel zwar nicht vertreten dürfte, die aber an der Versammlung teilnehmen darf, weil sie ein eigenes Teilnahmerecht hat. Bei diesem Vorgehen liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit vor.

Der Eigentümerin war die Begleitung - und damit auch die Vertretung - durch einen eigenen Rechtsanwalt aus Gründen der Waffengleichheit zuzugestehen. Der in der Versammlung anwesende Anwalt der Gemeinschaft nahm im Zusammenhang mit der Beschlussfassung zu TOP 2 die Interessen der Gemeinschaft wahr. Ist ein Anwalt im Auftrag der Gemeinschaft anwesend, der gegen die Interessen eines einzelnen Wohnungseigentümers tätig wird, ist dem Eigentümer, gegen den die Beratung gerichtet ist, die Begleitung durch einen eigenen Rechtsanwalt zuzugestehen. Es verstößt gegen das Fairnessgebot und das gemeinschaftliche Rücksichtnahmegebot, wenn nur eine Seite anwaltlich beraten wird.

Auch spielt bei der Frage der Rechtmäßigkeit des Versammlungsausschlusses keine Rolle, dass die Eigentümerin bei der Beschlussfassung zu TOP 2 nach § 25 Abs. 5 WEG vom Stimmrecht ausgeschlossen war. Denn sie hatte ein berechtigtes Interesse an der anwaltlichen Beratung im Vorfeld der Beschlussfassung.

Der unberechtigte Ausschluss eines Beraters führt zur Anfechtbarkeit des in der Versammlung gefassten Beschlusses.

(AG Schöneberg, Urteil v. 17.3.2016, 771 C 64/15)


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