Vorkaufsrecht des Mieters nach Umwandlung

Ein Vorkaufsrecht eines Mieters kann auch entstehen, wenn die Teilungserklärung schon vor Überlassung der Wohnung an den Mieter beurkundet ist. Dann kommt es entscheidend darauf an, ob der Kaufvertrag vor oder nach Eintragung der Teilungserklärung im Grundbuch geschlossen worden ist.

Hintergrund: Erst Teilungserklärung, dann Kaufvertrag

Die Mieter einer Wohnung und die ehemalige Eigentümerin (im Folgenden: Verkäuferin) streiten darüber, ob im Zuge der Umwandlung der Wohnung in Wohnungseigentum ein Vorkaufsrecht der Mieter entstanden ist.

Der Mietvertrag wurde am 17.11.2010 abgeschlossen, am 15.12.2010 wurde die Wohnung den Mietern überlassen. Am 28.9.2010, also vor Abschluss des Mietvertrags und vor Überlassung der Wohnung an die Mieter, ließ die Verkäuferin eine Teilungserklärung bezüglich des Mehrfamilienhauses notariell beurkunden.

Mit notariellem Vertrag vom 16.12.2010 veräußerte die Verkäuferin die Wohnung. Wenige Tage später, am 23.12.2010 wurde die Teilungserklärung vom 28.09.2010 in das Grundbuch eingetragen. Im Oktober 2011 wurde die Käuferin als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.

Im November 2013 erfuhren die Mieter vom Verkauf der Wohnung. Sie meinen, ihnen habe ein Vorkaufsrecht nach § 577 BGB zugestanden. Ihnen stehe daher Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen tatsächlich erzieltem Kaufpreis und objektivem Verkehrswert der Wohnung zu.

Entscheidung: Vorkaufsrecht nicht entstanden

Den Mietern hat kein Vorkaufsrecht zugestanden.

Ein Mieter ist nach § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB unter zwei gleichberechtigt nebeneinander stehenden Alternativen zum Vorkauf berechtigt:

  • 1. Alternative: Nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter ist Wohnungseigentum begründet worden und dieses wird dann an einen Dritten verkauft.
  • 2. Alternative: Nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter soll Wohnungseigentum begründet werden und das zukünftige Wohnungseigentum wird an einen Dritten verkauft.

Hier ist nach keiner der beiden Alternativen ein Vorkaufsrecht zugunsten der Mieter entstanden.

Die Voraussetzungen des § 577 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB liegen nicht vor. Zwar scheitert die Entstehung des Vorkaufsrechts bei dieser Alternative nicht daran, dass die Teilungserklärung schon vor Überlassung der Wohnung und sogar schon vor Abschluss des Mietvertrags beurkundet worden ist. Denn dies ändert nichts daran, dass Wohnungseigentum erst nach der Überlassung der Wohnräume an die Mieter begründet worden ist. Die Teilung wird erst mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher wirksam. Entscheidend ist also der dingliche Vollzug, der hier mit der am 23.12.2010 erfolgten Eintragung der Teilungserklärung in das Grundbuch bewirkt worden ist. Hingegen ist es unerheblich, ob der Mieter bei Abschluss des Mietvertrages von der Umwandlungsabsicht wusste oder nicht.

Es reicht für die Entstehung eines Vorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB aber nicht aus, wenn nach der Überlassung der Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass der Abschluss des Kaufvertrags mit dem Dritten der Begründung von Wohnungseigentum zeitlich nachfolgt. Wird dieses erst nach dem Verkauf begründet, scheidet ein Vorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB aus.

So liegt der Fall hier. Der Kaufvertrag zwischen der Verkäuferin und der Erwerberin wurde am 16.12.2010 notariell beurkundet. Wohnungseigentum wurde erst danach, nämlich mit der am 23.12.2010 erfolgten Eintragung der Teilungserklärung in das Grundbuch, begründet. Es wurde also nicht - wie von § 577 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB vorausgesetzt - eine Wohnung verkauft, an der bereits vor Abschluss des Kaufvertrags Wohnungseigentum entstanden war.

Auch die Voraussetzungen des § 577 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 BGB sind nicht erfüllt. Nach dieser Alternative ist die Entstehung eines Vorkaufsrechts davon abhängig, dass nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an den Mieter Wohnungseigentum begründet werden soll und das zukünftige Wohnungseigentum an einen Dritten verkauft wird. Die letztgenannte Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn sich der Veräußerer beim Verkauf des noch ungeteilten Grundeigentums gegenüber dem Dritten vertraglich zur Durchführung der Aufteilung gemäß § 8 WEG verpflichtet und ferner die von dem Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Wohneinheit im Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist.

Ob dies hier der Fall ist, konnte offen blieben, denn ein Vorkaufsrecht der Mieter scheitert bereits daran, dass die Absicht, Wohnungseigentum zu begründen, nicht erst nach der Überlassung der vermieteten Wohnräume an die Mieter gefasst und dokumentiert worden ist. Vielmehr war schon die Teilungserklärung beurkundet, als der Mietvertrag abgeschlossen wurde. Dass die Vorkaufsberechtigung nach § 577 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 BGB auch dann eingreifen soll, wenn die Absicht, Wohnungseigentum zu begründen, schon vor der Überlassung der Wohnräume an den Mieter gefasst und dokumentiert worden ist, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.

BGH Urteil vom 06.04.2016 - VIII ZR 143/15


Lesen Sie auch:

BGH: Vorkaufsrecht vereiteln kann für Vermieter teuer werden

BGH: Kein Vorkaufsrecht für Mieter, wenn Haus ungeteilt verkauft wird

BGH: Kein höherer Kaufpreis für vorkaufsberechtigte Mieter

BGH: „Kauf bricht nicht Miete“ gilt nicht immer

BGH-Rechtsprechungsübersicht


§ 577 Vorkaufsrecht des Mieters

(1) Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft, so ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt. (…)

Schlagworte zum Thema:  Vorkaufsrecht, Mietrecht