Rechtsmittel in WEG-Sachen: Belastung des Einzelnen maßgeblich

Für die Berechnung der Rechtsmittelbeschwer eines Wohnungseigentümers kommt es auf dessen eigenes wirtschaftliches Interesse an. Dieses bemisst sich nach seinem Anteil an der strittigen Forderung.

Hintergrund: Eigentümer legt Nichtzulassungsbeschwerde ein

In einer großen Wohnungseigentümergemeinschaft mit mehreren Hundert Mitgliedern beschlossen die Wohnungseigentümer im März 2013, dass für die Treppenhausreinigung höchstens 40.000 Euro jährlich aufgewendet werden sollen. Dennoch vergab der Verwalter zum 1.1.2014 Aufträge zur Treppenhausreinigung an drei Reinigungsfirmen, die Kosten von 46.800 Euro pro Jahr verursachen.

In einer Eigentümerversammlung im Mai 2015 beschlossen die Eigentümer, die Kostenobergrenze rückwirkend zum 1.1.2014 auf 46.800 Euro jährlich festzulegen. Ein Beschlussantrag, einen Rechtsanwalt damit zu beauftragen, Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter wegen der gegenüber der ursprünglich beschlossenen Kostenobergrenze eingetretenen jährlichen Mehrbelastung geltend zu machen und die Verpflichtung zum Ersatz weiterer Schäden feststellen zu lassen, fand keine Mehrheit.

Gegen beide Beschlüsse hat eine Wohnungseigentümerin Anfechtungsklage erhoben. Zugleich verlangt sie die Zustimmung der übrigen Eigentümer zum Vorgehen gegen den Verwalter.

Die Klagen blieben vor Amts- und Landgericht erfolglos. Das Landgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen hat die Eigentümerin beim BGH Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. 

Die klagende Eigentümerin meint, die für eine Nichtzulassungsbeschwerde erforderliche Beschwer von 20.000 Euro sei erreicht, und rechnet wie folgt:

Jährlicher Mehraufwand durch Verletzung der Obergrenze: 6.800 Euro
Betrachtungszeitraum gemäß § 9 ZPO: 3,5 Jahre

6.800 Euro x 3,5 = 23.800 Euro

Dieser Wert sei zweimal anzusetzen, weil über zwei Beschlüsse gestritten werde, sodass eine Gesamtforderung von 47.600 Euro zugrunde zu legen sei.

Entscheidung: Auf Individualinteresse kommt es an

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil eine Beschwer von 20.000 Euro nicht überschritten ist.

Für die Bewertung der Beschwer ist das Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung des angefochtenen Urteils maßgebend. Dieses ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Bei dieser Bewertung kommt es nicht auf die Mehrbelastung aller Wohnungseigentümer beziehungsweise auf die Gesamtforderung gegen den Verwalter an.

Das für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse eines Wohnungseigentümers, der per Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Verwalter erreichen will, bemisst sich vielmehr nach seinem Anteil an der Schadensersatzforderung. Dieser ist im Zweifel nach Miteigentumsanteilen zu bestimmen. Ebenso beschränkt sich das wirtschaftliche Interesse daran, eine Kostenmehrbelastung (hier durch die beschlossene Erhöhung der Kostenobergrenze) zu verhindern, auf den Anteil des Wohnungseigentümers an den Mehrkosten. 

Selbst wenn man wie die klagende Eigentümerin eine Gesamtforderung von 47.600 Euro zugrunde legt, würde ihr Anteil an der Forderung angesichts der Größe der WEG die Grenze von 20.000 Euro nicht überschreiten. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist daher unzulässig.

(BGH, Beschluss v. 9.2.2017, V ZR 88/16)

Nichtzulassungsbeschwerde in WEG-Sachen

Wenn das Berufungsgericht die Revision gegen eine Berufungsentscheidung nicht zulässt, ist grundsätzlich die Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH möglich. Voraussetzung ist allerdings, dass eine Beschwer von 20.000 Euro überschritten ist. In WEG-Sachen ist die Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde überhaupt erst seit dem 1.1.2016 möglich. Nachdem wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeiten im Zuge der WEG-Reform 2007 ins ZPO-Verfahren überführt worden waren, war die Nichtzulassungsbeschwerde zunächst bis 2012 ausgeschlossen. Dieser Ausschluss wurde mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 31.12.2015.


 

Schlagworte zum Thema:  Revision, Rechtsmittel, Wohnungseigentumsrecht