Eigentümerversammlung: Originalvollmacht muss greifbar sein
Hintergrund
Ein Wohnungseigentümer hat gegen einen in einer Eigentümerversammlung gefassten Beschluss Anfechtungsklage erhoben. Die Anlage besteht aus über 1.000 Wohnungen.
Bei der Versammlung waren nur 30 Eigentümer persönlich anwesend, ca. 450 Eigentümer sollen durch Vollmachten vertreten gewesen sein.
Ein Miteigentümer war mittels Bevollmächtigung mit 16.450 Miteigentumsanteilen Stimmrecht ausgestattet. Vor der ersten Abstimmung hat der Anfechtungskläger beantragt, ihm sofortige Einsicht in die Originalvollmachten dieses Eigentümers zu gewähren. Dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Daraufhin beanstandete der Anfechtungskläger die Bevollmächtigung für die nachfolgenden Abstimmungen.
Entscheidung
Die Anfechtungsklage hatte Erfolg. Die Beschlussfassung litt unter einem formalen Fehler. Es ist nicht auszuschließen, dass sich dieser auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat.
Jeder Versammlungsteilnehmer hat das Recht, zu jeder Zeit Einsicht in die Originalvollmachten zu nehmen. Hierüber kann die Versammlung auch nicht durch einen Geschäftsordnungsbeschluss disponieren. Die Ablehnung der Einsicht war daher fehlerhaft.
Bereits in der Zurückweisung des Gesuches auf Einsichtnahme in die Vollmachten liegt ein Beschlussfehler. Damit wird das Recht des Versammlungsteilnehmers unterlaufen, sich davon zu überzeugen, ob die Zulassung des Vertretenen zu Recht erfolgt ist und damit die Beschlussfassung ordnungsgemäß erfolgt. Ob schon die Nichtvorlage der Vollmachten zur Ungültigkeit des angefochtenen Beschlusses führt, kann dahinstehen, denn der Anfechtungskläger hat die Vollmachten ausdrücklich zurückgewiesen.
Wird ein Vertreter, der keine schriftlichen Vollmachten vorlegen kann, daraufhin zurückgewiesen, wird seine Stimmabgabe insoweit unwirksam, § 174 BGB. Ein Nachreichen der Vollmachten kommt jedenfalls bei einer – wie hier – ausdrücklichen Rüge nicht in Betracht. Vielmehr ist, wenn auf Verlangen eines Versammlungsteilnehmers das Original der Vollmachtsurkunde nicht vorgelegt wird, vom Nichtbestand der Vollmacht auszugehen.
Es wird widerlegbar vermutet, dass der formelle Beschlussfehler für den Beschluss kausal war. Nur wenn zweifelsfrei festgestellt wird, dass der Mangel keinen Einfluss auf das Beschlussergebnis hatte, ist diese Vermutung widerlegt. Dies war hier nicht der Fall.
(LG Frankfurt/Main, Urteil v. 5.8.2015, 2-13 S 32/13)
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