BGH bleibt dabei: Schonfristzahlung heilt ordentliche Kündigung nicht
Kündigt der Vermieter ein Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges des Mieters fristlos, kann der Mieter die Kündigung durch vollständige Nachzahlung der Rückstände bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs beseitigen. Dieselbe Wirkung hat es, wenn sich eine öffentliche Stelle zur Zahlung der Rückstände verpflichtet. Diese sogenannte Schonfristzahlung ist in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geregelt. Ausgeschlossen ist eine Schonfristzahlung lediglich dann, wenn der Mieter in den letzten zwei Jahren schon einmal eine fristlose Kündigung auf diesem Wege beseitigt hat.
Wegen dieser Heilungswirkung, die das Gesetz der Schonfristzahlung beimisst, erklären Vermieter häufig zusätzlich zur fristlosen Kündigung hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Denn: Die ordentliche Kündigung bleibt nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch bei einer Schonfristzahlung wirksam.
Schonfristzahlung: LG Berlin widerspricht dem BGH
Die 66. Zivilkammer des LG Berlin ist anderer Auffassung, zuletzt in einem Urteil vom 30.3.2020, 66 S 293/19. In der ausführlich begründeten Entscheidung widersprechen die Berliner Richter der Linie des BGH und vertreten die Auffassung, § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB gelte auch bei einer ordentlichen Kündigung, sodass eine Nachzahlung der Mietrückstände auch deren Wirkung beseitige. Dies begründet das LG Berlin unter anderem mit der Systematik des Gesetzes und dem Zweck der Schonfristzahlung, eine Obdachlosigkeit des Mieters zu vermeiden.
Karlsruhe richtet deutliche Worte nach Berlin
Der BGH (Urteil v. 13.10.2021, VIII ZR 91/20) hat das Urteil des LG Berlin nun aufgehoben und bleibt bei seiner bisherigen Rechtsprechung, sodass eine Schonfristzahlung nach wie vor nur eine fristlose, nicht aber eine ordentliche Kündigung zu heilen vermag. Das ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB, und am Wortlaut komme man bei der Auslegung des Gesetzes nicht vorbei.
In diesem Zusammenhang richtet der BGH deutliche Worte an die Berliner Richter: Diese hätten „die anerkannten Grundsätze der Gesetzesauslegung missachtet“ und die „Anforderungen an eine den anerkannten Methoden entsprechendes Vorgehen zur Ermittlung der Regelungskonzeption des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB grundlegend verkannt“.
Die auf die fristlose Kündigung beschränkte Wirkung der Schonfristzahlung entspreche dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Der an Recht und Gesetz gebundene Richter dürfe diese Entscheidung nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so im Gesetzgebungsverfahren (bisher) nicht erreichbar war.
Mit anderen Worten: Wenn sich die Rechtslage ändern soll, muss der Gesetzgeber ran.
Ampel könnte Regeln zur Schonfristzahlung ändern
Dass der Gesetzgeber in absehbarer Zeit an der Rechtslage etwas ändert, ist durchaus im Bereich des Möglichen, wie ein Blick in den soeben geschlossenen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP zeigt. Darin heißt es etwas hölzern: „Um die Ursachen drohender Wohnungslosigkeit zu beseitigen, werden wir das Mietrecht, insbesondere dort wo Schonfristzahlungen dem Weiterführen des Mietverhältnisses entgegenstehen, evaluieren und entgegensteuern.“ Wie das Entgegensteuern genau aussieht, bleibt abzuwarten.
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