BGH: Abrechnungsspitze ist teilweise anfechtbar

Ein WEG-Beschluss über die Abrechnungsspitze aus einer Jahresabrechnung kann auch teilweise angefochten und für ungültig erklärt werden. Vorausgesetzt, es ist eine abgrenzbare fehlerhafte Kostenposition eingeflossen und die übrigen Beschlussteile wären auch ohne diese Position beschlossen worden.

Seit der WEG-Reform beschließen die Wohnungseigentümer nicht mehr über Jahresabrechnung als Ganzes einschließlich des zugrundeliegenden Zahlenwerks. Gegenstand der Beschlussfassung sind nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG nur noch die Zahlungspflichten, die zum Ausgleich einer Unter- oder Überdeckung aus dem Wirtschaftsplan erforderlich sind (Abrechnungsspitzen).

Umstritten ist, ob unter der neuen Rechtslage wie bisher eine Teilanfechtung einzelner Kostenpositionen möglich ist oder ein Beschluss über die Abrechnungsspitze nur insgesamt angefochten und für ungültig erklärt werden kann.

In einem aktuellen Urteil stellt der BGH klar, dass eine Teilanfechtung unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.

Hintergrund: Streit über Rücklagenentnahme

In einer Eigentümerversammlung im Dezember 2022 beschlossen die Wohnungseigentümer die Abrechnungsspitzen aus den Gesamt- und Einzelabrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2020. In den Abrechnungen wurden auch Ausgaben in Höhe von 10.000 Euro, die der Erhaltungsrücklage entnommen worden waren, nach Miteigentumsanteilen auf die Eigentümer umgelegt.

Eine Wohnungseigentümerin hat den Beschluss insoweit angefochten, als ein aus der Rücklage entnommener Betrag von 10.000 Euro nach Miteigentumsanteilen verteilt wird.

Entscheidung: Teilanfechtung ist zulässig

Der Beschluss ist insoweit ungültig, als in die Abrechnungsspitze ein Betrag von 10.000 Euro eingeflossen ist, der der Erhaltungsrücklage entnommen wurde. Im übrigen bleibt der Beschluss wirksam.

Entnahmen aus der Rücklage sind verteilungsneutral

Ausgaben, die im Wirtschaftsjahr aus der Erhaltungsrücklage (bis 30.11.2020: Instandhaltungsrücklage) beglichen wurden, dürfen in der Jahresabrechnung nicht auf die Wohnungseigentümer umgelegt werden.

Entnahmen aus der Erhaltungsrücklage sind verteilungsneutral und dürfen nicht in die Abrechnungsspitze einfließen. Andernfalls würden die Wohnungseigentümer doppelt belastet, weil sie die Ausgaben bereits vorher durch entsprechende Beträge zur Erhaltungsrücklage finanziert haben. Somit wurden hier 10.000 Euro zu Unrecht auf die Eigentümer umgelegt.

Wegen dieses Fehlers war der Beschluss teilweise für ungültig zu erklären.

Nur fehlerhafter Teil ist ungültig

Auch wenn Beschlussgegenstand seit der WEG-Reform nur noch die Abrechnungsspitze ist und ein Fehler in einer Kostenposition immer auch zu einem Fehler im Gesamtbetrag führt, ist eine teilweise Anfechtung beziehungsweise Ungültigerklärung möglich.

Könnte die Abrechnungsspitze nur insgesamt angefochten werden, könnte jeder kleinste betragsrelevante Fehler zur Gesamtungültigkeit des Beschlusses führen. In der Folge müssten die Eigentümer erneut über sämtliche Kostenpositionen beschließen, was abermals mit neuen Begründungen angefochten werden könnte. Lässt man hingegen eine Teilanfechtung zu, müssen sich die Eigentümer nachfolgend nur noch mit den nachgebesserten Positionen befassen und eine erneue Anfechtungsklage könnte nur auf Fehler der nachgebesserten Position gestützt werden.

Außerdem haben die Wohnungseigentümer ein Interesse, den Streitwert und damit die Kosten eines Prozesses in einem angemessenen Rahmen zu halten. Wäre der Beschluss über die Abrechnungsspitze unteilbar, müsste ein Eigentümer unabhängig von der Höhe seiner Beanstandungen den Beschluss stets in Gänze anfechten. Der Streitwert könnte dann ein Vielfaches seines wirtschaftlichen Interesses erreichen.

Schließlich käme es bei einer Unteilbarkeit zu unverständlichen Ergebnissen bei der Kostenentscheidung. So müsste die Gemeinschaft bei einem minimalen Fehler des Abrechnungsbeschlusses die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen, obwohl sie in der Sache nahezu vollständig gewonnen hätte.

Voraussetzung für Teilungültigkeit

Ob die Ungültigkeit eines Teils des Beschlusses dazu führt, dass der Beschluss insgesamt ungültig ist, richtet sich danach, ob der unbeanstandete Teil allein sinnvollerweise Bestand haben kann und anzunehmen ist, dass ihn die Eigentümer ebenso gefasst hätten.

Im vorliegenden Fall betrifft der zu Unrecht in die Abrechnungsspitze eingeflossene Betrag von 10.000 Euro eine abgrenzbare Kostenposition. Es ist davon auszugehen, dass die Eigentümer den Beschluss mit dem unbeanstandet gebliebenen Teil ebenso gefasst hätten. Eine Gesamtungültigkeit scheidet daher aus.

(BGH, Urteil v. 11.4.2025, V ZR 96/24)


Das könnte Sie auch interessieren:

BGH-Rechtsprechungsübersicht zum Wohnungseigentumsrecht

BGH: Nur zahlungsrelevante Fehler kippen Jahresabrechnung

BGH: Genehmigung der "Jahresabrechnung" ist gültig

BGH: GdWE schuldet Jahresabrechnung

BGH: Jahresabrechnung muss korrigiert werden


Schlagworte zum Thema:  Wohnungseigentumsrecht, Jahresabrechnung