Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung einer Nachlasspflegschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Nachlasspflegschaft zunächst angeordnet und sodann durch Entscheidung des Beschwerdegerichts aufgehoben, so besteht daneben kein berechtigtes Interesse eines Erben an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Nachlasspflegschaft.

2. Ein solches Interesse lässt sich in dieser Konstellation weder aus der Belastung des Nachlasses mit den Kosten der Pflegschaft, insbesondere einer Vergütung des Pflegers, noch aus dem Bestreben herleiten, für eine beabsichtigte Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen eine bindende Feststellung der Rechtswidrigkeit herbeizuführen.

 

Normenkette

GG Art. 19 Abs. 4; FGG § 20 Abs. 1; FamFG § 62; BGB § 1960

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Beschluss vom 03.08.2009; Aktenzeichen 15 T 165/07)

AG Hamm (Aktenzeichen 2 VI 378/07)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.212,20 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 27, 29 FGG), aber unbegründet.

Das LG hat durch den angefochtenen Beschluss der ersten Beschwerde der Beteiligten stattgegeben und durch seine in der Hauptsache getroffene Entscheidung die vom AG angeordnete Nachlasspflegschaft aufgehoben. Die weitere Beschwerde beanstandet im Ergebnis ohne Erfolg, dass die Kammer jedenfalls ausdrücklich nicht zusätzlich über ihr bereits im Erstbeschwerdeverfahren angebrachtes Begehren entschieden hat, die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des AG festzustellen. Diesem Antrag hat das LG nicht entsprechen wollen, weil es erkennbar abschließend über die erste Beschwerde der Beteiligten hat entscheiden wollen. Die fehlende ausdrückliche Begründung in der Entscheidung des LG zu diesem Begehren ist unschädlich, weil der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren die Zulässigkeit der Erstbeschwerde von Amts wegen zu überprüfen hat (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 27 Rz. 15). Diese Prüfung führt hier zu dem Ergebnis, dass die erste Beschwerde der Beteiligten in Ansehung dieses Feststellungsantrags unzulässig ist. Diese Beurteilung beruht auf den folgenden Erwägungen:

Für das vorliegende Verfahren findet gem. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG noch das FGG Anwendung. Dieses enthält für ein Verfahren, das auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung gerichtet ist, keine Grundlage (vgl. Keidel/Kahl, a.a.O., § 19 Rz. 85; zum Rechtszustand seit dem 1.9.2009 s. § 62 FamFG). Die Beschwerdebefugnis beschränkt sich danach auf das Begehren auf Beseitigung einer fortbestehenden Rechtsbeeinträchtigung, die sich aus dem Entscheidungssatz der angefochtenen Entscheidung ergibt. Unter Geltung des FGG hat die fachgerichtliche Rechtsprechung aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleiteten Vorgaben des BVerfG folgend einen solchen Feststellungsantrag in Verbindung mit einer Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung allerdings unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. In der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. hierzu die Übersicht bei Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 62 Rz. 1 ff.) ist unter dem Aspekt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes ein solcher Feststellungsantrag bei einer Wiederholungsgefahr, im Hinblick auf ein Rehabilitationsinteresse sowie in Fällen eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffs zugelassen worden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt.

Eine Wiederholungsgefahr besteht vorliegend ersichtlich nicht. Auch setzt die Anordnung der Nachlasspflegschaft nach § 1960 Abs. 1 BGB lediglich ein objektiv zu bestimmendes Sicherungsinteresse hinsichtlich des Nachlasses voraus. Die Bejahung eines solchen Interesses impliziert nicht notwendig einen Vorwurf ggü. den vorhandenen Erbprätendenten. Tatsächlich enthält der amtsgerichtliche Beschluss auch keine solche Herleitung eines Sicherungsbedürfnisses.

Auch ein schwerwiegender Grundrechtseingriff liegt hier nicht vor. Von einem schwerwiegenden Grundrechtseingriff in diesem Sinne wird gemeinhin nur ausgegangen, wenn ein Grundrecht tangiert wird, für das das GG - ggf. auch das einfache Recht - Eingriffe unter Richtervorbehalt stellt (BeckOK-GG/Epping/Hillgruber, Stand 2009, Art. 19 Rz. 81), insbesondere also das Freiheitsgrundrecht und das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 104, 13 GG). Die Anordnung der Nachlasspflegschaft greift in die durch Art. 2 und 14 GG geschützte vermögensrechtliche Handlungsfreiheit der Erben bzw. Erbprätendenten ein, indem diesen zum einen die rechtliche oder tatsächliche Handlungsbefugnis hinsichtlich des Nachlasses entzogen werden kann und zum anderen ein Vergütungsanspruch des Nachlasspflegers gegen den Nachlass begründet wird. Eine derartige rein wirtschaftliche Beeinträchtigung kann einem schwerwiegenden Grundrechtseingriff im vorgenannten Sinn unter den hier vorliegenden Umständen nicht gleichgestellt werden. In die Handlungsbefugnis hinsichtlich noch vorhandener Nachlassgegenstände oder Surrogate ist vorlie...

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