Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 318 O 172/18)

 

Tenor

Der Senat weist nach Vorberatung darauf hin, dass die Berufung der Klägerin jedenfalls überwiegend Aussicht auf Erfolg haben dürfte (dazu unter 1. und 2.). Der Senat legt den Parteien nahe, auf Grundlage der hier gegebenen Hinweise eine gütliche Einigung zu finden (dazu unter 3.) und bittet dazu um Stellungnahme (dazu unter 4.).

 

Gründe

1. Die Klage ist nach dem Antrag zu 1. auf die Erstattung der von der Klägerin an einen Autohändler geleisteten Kaufpreissumme, Zug um Zug gegen Übereignung des von der Klägerin erworbenen Fahrzeugs .... mit dem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor .... an die Beklagte, gerichtet. Dieser Klagantrag dürfte nicht mit der vom Landgericht gegebenen Begründung abzuweisen sein. Im Gegenteil dürfte der Klägerin der eingeklagte Anspruch dem Grunde nach gemäß § 826 BGB zustehen (vgl. insofern nur OLG Koblenz, Urteil vom 12.6.2019, 5 U 1318/18, abgedruckt u.a. in NJW 2019, 2237). Dass die Beklagte nicht das ganze Fahrzeug hergestellt hat, sondern nur den darin verbauten Motor, dürfte ihrer deliktischen Haftung nicht entgegenstehen (vgl. u.a. OLG Köln, 01.07.2019, 27 U 7/19, BeckRS 2019, 13560 Rn. 3 ff.). Weiterhin dürfte der Beklagten das Handeln derjenigen ihrer Mitarbeiter, welche die in Rede stehende Software entwickelt und zum Einsatz gebracht haben, aufgrund der Nichterfüllung der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast zuzurechnen sein (s. dazu OLG Koblenz, a.a.O. Rn. 50-62). Die Klägerin dürfte in prozessual zulässiger Weise behauptet haben, dass die vertretungsberechtigten Organe der Beklagten Kenntnis von der softwarebasierten Abgasregulierung gehabt, dennoch das Inverkehrbringen der jeweiligen Motoren veranlasst und so den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hätten. In Kenntnis vom Einsatz der entsprechenden Software hätten die verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten eine Schädigung der Kunden damit billigend in Kauf genommen. Insbesondere habe die Vorstandsebene der Beklagten von dem Softwareeinsatz Kenntnis gehabt. Der Vorstand der Beklagten wisse oder könne sich zumindest das Wissen darüber verschaffen, wer die Entscheidung getroffen hat, die Software zu entwickeln und einzusetzen. Damit dürfte die notwendige Kenntnis der haftungsbegründenden Umstände beim Vorstand dargelegt sein. Es dürfte der Klägerin nicht abzuverlangen sein, konkret die Kenntnis einzelner Personen zu behaupten - sie liefe damit Gefahr, dass dies als unzulässiger Vortrag ins Blaue hinein gewertet werden könnte, da ihr der Einblick insofern gerade fehlt. In Zusammenschau mit ihrem weiteren Vortrag dürfte die Klägerin damit die den Tatbestand des § 826 BGB ausfüllenden Tatsachen entgegen der landgerichtlichen Bewertung schlüssig vorgetragen haben.

Nach ihrem eigenen Vorbringen wisse die Beklagte nicht, welche/r ihrer Mitarbeiter wann Kenntnis von der Entwicklung und / oder dem Einsatz der Software hatte/n. Sie zieht sich auf den Standpunkt zurück, nach ihrem derzeitigen Kenntnisstand sei von Unkenntnis (der Vorstandsmitglieder) auszugehen, obwohl es sich um Vorgänge handelt, die in ihre eigene Unternehmensverantwortung und Wahrnehmungssphäre fallen. Dies zeigt bereits, dass die Klägerin das ihr Mögliche vorgetragen hat und dieser Vortrag entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht als zu pauschal angesehen werden kann. Demgegenüber ist es der Beklagten zumutbar, nähere Angaben zu machen. Ihr Vortrag impliziert, die Entscheidung über die Verwendung der Software sei von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene, mithin auf nachgeordneten Arbeitsebenen getroffen worden. Damit macht sie deutlich, diesbezügliche Kenntnisse zu haben, da sie anderenfalls einen entsprechenden Vortrag nicht hätte halten können. Wenn sie aber weiß und auch wissen muss, wer unterhalb der Vorstandsebene wann welche Kenntnis gehabt hat, ist es ihr auch möglich nachzuvollziehen, ob entsprechende Kenntnis an den Vorstand weitergegeben wurde oder nicht. So oder so muss eine entsprechende Entscheidung von jemandem getroffen worden sein. Warum es ihr nicht möglich sein soll, dies in Erfahrung zu bringen und vorzutragen, ist nicht plausibel. Die Beklagte hat allgemein- und gerichtsbekannt eigene Untersuchungen durch eine Anwaltskanzlei veranlasst. Zudem hat sie sich unterschiedlichen staatsanwaltschaftlichen und behördlichen Untersuchungen ausgesetzt gesehen. Obwohl mithin mehrere Erkenntnisquellen zur Verfügung standen, hat sie - trotz des Ablaufs mehrerer Jahre - nichts Konkretes zu den hieraus gewonnenen Erkenntnissen mitgeteilt.

2. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen sämtlich unter der Prämisse, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin den Tatbestand einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung objektiv und subjektiv verwirklicht hat.

In Bezug auf die Rechtsfolge bzw. die Höhe des Anspruchs würde sich dann aufgrund des Berufungsvorbringens der Klägerin die Frage stellen, ob überhaupt und wenn ja in welchem Umfang von dem von de...

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