Normenkette

ZPO §§ 233-234

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 07.02.3003; Aktenzeichen 8 O 5048/01)

 

Tenor

Wird dem Beklagten und Berufungskläger Wiedereinsetzung hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.

Die Kosten der Wiedereinsetzung hat der Beklagte zu tragen.

 

Gründe

I. Der Beklagte ist durch Urteil des LG Hannover vom 7.2.2003, ihm zugestellt am 12.22003, verurteilt worden, an die Kläger 2.845,68 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen hat der Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt. Auf Grund seines Antrages vom 3.4.2003 ist die ursprünglich am (Montag) 14.4.2003 ablaufende Berufungsbegründungsfrist verlängert worden bis zum 14.5.2003.

Am 14.5.2003, 23.57 Uhr, ging bei Gericht per Fax eine Berufungsbegründung ein. Diese enthält einen Berufungsantrag, handschriftlich einen kurzen Abriss, weshalb den Klägern Honoraransprüche für nicht mehr erbrachte Leistungen nicht zustehen sowie die Unterschrift des – sich selbst als Anwalt vertretenden – Beklagten. Die Berufungsbegründung ist erkennbar nicht fertig gestellt, wie sich aus den handschriftlichen Einfügungen sowie den standardmäßigen Überschriften ohne Folgetext ergibt.

Eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist konnte nicht gewährt werden, weil die Kläger die gem. § 520 Abs. 2 S. 2 ZPO erforderliche Zustimmung verweigert haben.

Mit Schriftsatz vom 23.5.2003, eingegangen bei Gericht per Fax am 27.5.2003, hat der Beklagte Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsgfrist beantragt und zugleich eine (vierseitige) Berufungsbegründung eingereicht.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig.

1. Der Beklagte hat die Berufungsbegründungsfrist zwar nicht versäumt. Denn bis zum Ablauf der Frist ist eine Berufungsbegründung mit dem gem. § 520 Abs. 3 ZPO notwendigen Inhalt eingegangen. Jedoch ist es auch zulässig, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einzelner (in der vorgelegten Berufungsbegründungsschrift unterlassener) Begründungen zu verlangen (vgl. BGH v. 18.11.1999 – III ZR 87/99, MDR 2000, 235 = NJW 2000, 364). So ist der Antrag erkennbar auszulegen. Die noch am 14.5.2003 übersandte Berufungsbegründung war erkennbar nicht abgeschlossen. Der Berufungskläger hat sie ganz offensichtlich auch nicht selbst als vollständig angesehen. Es kann nicht auf den zufälligen Umstand ankommen, ob die fristgerecht offensichtlich nicht vollständige Berufungsbegründung (vielleicht gerade noch) die Mindestanforderungen an eine Berufungsbegründung wahrt; der verfassungsrechtlich Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), als dessen Ausprägung auch das Wiedereinsetzungsrecht zu sehen ist, verlangt vielmehr – mangelndes Verschulden vorausgesetzt – eine Berücksichtigung des vollständig erstellten. Schriftsatzes sowohl im vorliegenden Fall wie aber auch in dem Fall, wenn vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gar keine Berufungsbegründung eingereicht worden wäre. Sonst stände der Beklagte bei einer gravierenden Lücke schlechter, als wenn er eine gänzlich unzureichende oder gar keine Berufungsbegründung eingereicht hätte, bei der eine Wiedereinsetzung fraglos zulässig gewesen wäre.

2. Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch rechtzeitig innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses gestellt worden (§ 234 ZPO). Das hier maßgebliche Hindernis war der von dem Beklagten näher dargelegte Absturz der die Berufungsbegründung enthaltenen Textdatei auf seiner EDV-Anlage am 14.5.2003. Der Wiedereinsetzungsantrag ist mit der vollständigen Berufungsbegründung dann am 27.5.2003 bei Gericht eingegangen.

III. Die Wiedereinsetzung ist auch in der Sache nach § 233 ZPO begründet.

Der Beklagte hat anwaltlich versichert und damit ausreichend glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden verhindert war, die nunmehr vorgelegte vollständige Berufungsbegründung fristgerecht bis Ablauf des 14.5.2003 vorzulegen.

Dass eine Textdatei knapp eine Stunde vor Ablauf der Frist auf der EDV-Anlage plötzlich verschwindet, war für den Beklagten nicht vorhersehbar und auch nicht vermeidbar. Der Senat hat auch keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung durch den Beklagten zu zweifeln. Immerhin spricht der unternommene „Rettungsversuch” für die Richtigkeit der Darstellung durch den Beklagten.

Ein Verschulden des Beklagten liegt auch nicht darin, dass er die Berufungsbegründung erst kurz nach 23 Uhr fertig gestellt hatte und deshalb den Text nicht erneut bis zum Ablauf der Frist schreiben konnte, nachdem der ursprünglich vorhandene Text verschwunden war und nicht mehr aufgerufen werden konnte. Eine Partei ist nämlich berechtigt, die ihr vom Gesetz eingeräumte prozessuale Frist bis zu ihrer Grenze auszunutzen (BVerfG v. 7.5.1991 – 2 BvR 215/90, NJW 1991, 2076). Zwar muss dann besonders hohe Sorgfalt angewendet werden. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass der Computerfehler durch (noch) sorgfältigeres Verhalten des Beklagten hätte verhindert werden können.

IV. Die Kostenentscheidung beruht...

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