Nach § 574 BGB hat das Gericht die Härtegründe des Mieters gegen das Interesse des Vermieters an der Vertragsbeendigung abzuwägen. Bei der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters werden nur die in dem Kündigungsschreiben nach § 573 Abs. 3 BGB angegebenen Gründe berücksichtigt, außer wenn die Gründe nachträglich entstanden sind.

Wegfall des Kündigungsgrundes

In der Grundsatzentscheidung vom 9.11.2006[1] hat der BGH ausgeführt, dass der Wegfall der für den Eigenbedarf maßgeblichen Umstände nur dann zu berücksichtigen ist, wenn der Grund vor dem Ablauf der Kündigungsfrist entfällt; nur in diesem Fall ist der Vermieter zu einer entsprechenden Mitteilung an den Mieter verpflichtet. Für die Interessenabwägung nach § 574 BGB kommt es dagegen auf den Sach- und Streitstand der letzten mündlichen Verhandlung an.[2] Der Wegfall eines Kündigungsgrundes nach Ablauf der Kündigungsfrist kann deshalb dazu führen, dass die Abwägung ein überwiegendes Interesse des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses ergibt.

Macht der Mieter gegenüber einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung geltend, dass er aus gesundheitlichen Gründen auf den Verbleib in der Wohnung angewiesen sei, müssen sich die Gerichte ein "nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen für den Mieter mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen erreichen können und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann".[3]

 
Praxis-Tipp

Sachverständigengutachten durch Gericht einholen

Regelmäßig ist zu diesem Zweck das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen.

Liegen keine Verlängerungsgründe vor, wird das Gericht der Räumungsklage stattgeben.

Ergibt die Abwägung, dass die Härtegründe des Mieters Vorrang haben vor den Interessen des Vermieters an der Vertragsbeendigung, so muss das Mietverhältnis auf bestimmte oder unbestimmte Zeit verlängert werden. Gesundheitlich bedingte Räumungshindernisse sind bei der nach § 574 BGB erforderlichen Abwägung in besonderem Maße zu berücksichtigen. Das Interesse des Vermieters an der Eigennutzung hat im Hinblick auf die Eigentumsgewährleistung zwar ebenfalls einen hohen Stellenwert.

 
Wichtig

Wohnsituation des Vermieters gegen Bestandsinteresse des Mieters

Grundsätzlich gilt, dass das Bestandsinteresse des Mieters zurücktreten muss, wenn dem Erlangungsinteresse des Vermieters ein hoher Stellenwert zukommt, etwa weil dessen aktuelle Wohnsituation völlig unzureichend ist. Umgekehrt dürfte das Interesse des Mieters vorrangig sein, wenn es dem Vermieter lediglich um eine Verbesserung des Wohnkomforts geht.[4]

 
Hinweis

Keine Verlängerung auf Lebenszeit

Eine Verlängerung auf Lebenszeit des Mieters ist ausgeschlossen[5], jedoch ist eine mehrmalige Verlängerung möglich.[6]

Liegt der Härtegrund des fehlenden Ersatzraums vor, so darf das Gericht nicht anstelle der befristeten Vertragsfortsetzung eine Räumungsfrist bewilligen.[7]

[1] BGHZ 165 S. 75 = NZM 2006 S. 50.
[5] OLG Stuttgart, WuM 1969 S. 95.
[7] OLG Stuttgart, WuM 1969 S. 25; OLG Oldenburg, WuM 1970 S. 132.

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