Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltshonorar. Honorarvereinbarung. Stundensatzvereinbarung. Sittenwidrigkeit. Wahl ausländischen Rechts

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Stundensatzvereinbarung, die zu einer Honorarforderung des Rechtsanwalts führt, die die gesetzlichen Gebühren um mehr als das Siebzehnfache übersteigt, ist sittenwidrig.

 

Normenkette

BGB § 138 Abs. 1

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main v. 1.3.2000 wird nicht angenommen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für die Revisionsinstanz wird auf 45.304,29 Euro (88.607,49 DM) festgesetzt.

 

Gründe

Die Revision wirft keine ungeklärten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf und verspricht im Ergebnis (§ 563 ZPO a. F.) keinen Erfolg (§ 554b ZPO a. F.).

1. Das veröffentlichte Berufungsurteil (OLG Frankfurt v. 1.3.2000 - 9 U 83/99, NJW-RR 2000, 1367), durch welches dem Beklagten Gebühren i. H. v. 7.950 DM nebst Erstattung von Auslagen und Umsatzsteuer zugebilligt worden sind, hat im Streitfall zu Unrecht einen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 9 AGBG angenommen. Die möglicherweise grundsätzliche Rechtsfrage, ob diese Vorschrift nach dem 31.12.1994 über § 242 BGB schon vor dem In-Kraft-Treten von § 24a AGBG in richtlinienkonformer Auslegung angewendet und in dieser Zeit als zwingendes Recht gemäß Art. 29 Abs. 1 EGBGB angesehen werden konnte, stellt sich daher für die Revision nicht.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts betrug im Streitfall der gesetzliche Gebührenanspruch des deutschen Rechts nach dem maßgebenden Wert des Erbteils - nicht des Nachlasses - nur 4.890 DM (je eine 10/10-Geschäftsgebühr und Besprechungsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO).

3. Die Stundensatzvereinbarung in dem schriftlichen Vertrag der Parteien v. 1.3.1996 war sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB), weil sie zu einer Honorarforderung des Beklagten führte, welche die gesetzlichen Gebühren um mehr als das Siebzehnfache überstieg (vgl. dazu bei Vereinbarung von Pauschalhonoraren in Fällen mit kleineren und mittleren Streitwerten BGH v. 30.5.2000 - IX ZR 121/99, BGHZ 144, 343 [346] = MDR 2000, 1400; Urt. v. 4.7.2002 - IX ZR 153/01, MDR 2002, 1182 = BGHReport 2002, 909 = NJW 2002, 2774 [2775]; zu Stundensatzvereinbarungen Urt. v. 3.4.2003 - IX ZR 113/02, Umdruck S. 9 = MDR 2003, 888 = BGHReport 2003, 973). Das auffällige Missverhältnis zwischen Vergütungshöhe und erforderlicher Leistung rechtfertigt auch hier den Schluss auf die verwerfliche Gesinnung desjenigen, der die überhöhte Vergütung fordert (vgl. BGH v. 30.5.2000 - IX ZR 121/99, BGHZ 144, 343 [346] = MDR 2000, 1400). Zwar kann eine anwaltliche Honorarvereinbarung grundsätzlich das Sittengesetz nicht verletzen, wenn sie zu einem aufwandsangemessenen Honorar führt (BGH, Urt. v. 3.4.2003a. a. O.). Anwaltliche Honorarvereinbarungen dürfen auch im Hinblick auf die Verfassungsgarantie der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) in ihrer Rechtswirksamkeit nicht ohne zureichenden Sachgrund beschnitten werden. Hier ist jedoch auch die äußerste Grenze eines aufwandsangemessenen Honorars um jedenfalls annähernd das Doppelte überschritten worden. Ein Rechtsanwalt handelt sittenwidrig, wenn er - wie hier - bei der Wahl ausländischen Rechts und der Vereinbarung eines Stundensatzes seinen Aufwand in grober Weise eigensüchtig aufbläht und bei den berechneten Einzeltätigkeiten und ihrer Dauer die objektiv gebotene Konzentration und Beschleunigung der Mandatswahrnehmung (Wirtschaftlichkeitsgebot im Mandanteninteresse) wissentlich außer Acht lässt.

4. Die Rechtsfolge des Sittenverstoßes nach deutschem Recht konnte durch die getroffene Rechtswahl (des amerikanischen Rechts) nicht aufgehalten werden; denn das Mandat der Klägerin zur Durchsetzung der Erbschaftsansprüche nach ihrem verstorbenen Bruder war ein Verbrauchervertrag gemäß Art. 29 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB. Die Ausnahme des Absatzes 4 Nr. 2 dieser Vorschrift greift nicht ein, weil die Parteien als Erfüllungsort Frankfurt am Main vereinbart haben und der Beklagte seine Leistungen überwiegend in Deutschland erbracht hat.

5. Die am 4.4.1996 nachträglich vereinbarte quota litis als Mindesthonorar des Beklagten ist nach § 49b Abs. 2 Fall 2 BRAO, § 134 BGB nichtig. Auch die Rechtsfolge dieser zwingenden Norm konnte durch die Wahl des amerikanischen Rechts nach Art. 29 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB nicht umgangen werden. Auf die Frage, ob das Berufungsgericht dem deutschen anwaltlichen Berufsrecht insoweit mit Recht auch international zwingende Wirkung i. S. v. Art. 34 EGBGB beigelegt hat und es hierbei von dem Senatsurteil BGHZ 118, 312, 332 (BGH, Urt. v. 4.6.1992 - IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 [332] = MDR 1992, 1181 = CR 1993, 274)abgewichen ist, kommt es mithin für die Revision nicht an.

6. Der Beklagte kann sich nicht anspruchsmindernd auf die abgeführte Umsatzsteuer nach seiner Kostenberechnung v. 7.10.1996 berufen (vgl. § 17 UStG, §§ 169, 173 Abs. 1 Nr. 2 AO).

 

Fundstellen

NJW 2003, 3486

BGHR 2003, 1381

FamRZ 2003, 1642

ZAP 2003, 1294

AnwBl 2003, 721

IPRax 2005, 150

RENOpraxis 2004, 57

BRAK-Mitt. 2003, 282

KammerForum 2004, 68

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