Leitsatz (amtlich)

Eine Änderung von vertragswesentlichen Vereinbarungen ist nur dann gem. § 550 Satz 1 BGB schriftformbedürftig, wenn sie für einen ein Jahr übersteigenden Zeitraum Geltung beansprucht (Fortführung der BGH BGHZ 163, 27 = NJW 2005, 1861; v. 25.11.2015 - XII ZR 114/14 NJW 2016, 311; v. 11.4.2018 - XII ZR 43/17 NJW-RR 2018, 1101).

 

Normenkette

BGB § 550

 

Verfahrensgang

OLG Bremen (Entscheidung vom 25.06.2020; Aktenzeichen 5 U 13/19)

LG Bremen (Entscheidung vom 31.05.2019; Aktenzeichen 6 O 1787/18)

 

Tenor

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Streitwert: 49.800 EUR

 

Gründe

Rz. 1

Nach der - auch in der Revisionsinstanz zulässigen - übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien ist gem. § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Nach diesen Maßgaben sind die Kosten des gesamten Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen, weil sie mit ihrem auf Räumung und Herausgabe gerichteten, auf einen Verstoß gegen die Schriftform des § 550 BGB gestützten Begehren aller Voraussicht nach nicht durchgedrungen wäre. Auf die vom Berufungsgericht genannte Zulassungsfrage, ob auch die Einigung der Mietvertragsparteien über die Höhe einer Mietminderung dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB unterliegt, wenn die Dauer der Mietminderung an diejenige des Bestehens des Minderungsgrunds geknüpft ist, kommt es dabei schon aus Rechtsgründen nicht an.

Rz. 2

1. Die Vorschrift des § 550 BGB soll den Erwerber eines Grundstücks davor schützen, bei Eintritt in einen Mietvertrag, dessen Bedingungen er mangels Schriftlichkeit nicht zuverlässig erkennen kann, an die vertraglichen Regelungen länger als ein Jahr gebunden zu sein (vgl. BGH BGHZ 154, 171 = NJW 2003, 2158, 2160 und BGHZ 163, 27 = NJW 2005, 1861, 1862). Daneben dient § 550 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Senats dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen (vgl. etwa BGH BGHZ 216, 68 = NJW 2017, 3772 Rz. 35 m.w.N.), wobei der Gesetzgeber mit dem einen Jahr in § 550 Satz 1 BGB die Grenze benannt hat, bis zu der nicht von einer Langfristigkeit auszugehen ist.

Rz. 3

Aus diesen Gesetzeszwecken folgt, dass eine Änderung auch von vertragswesentlichen Vereinbarungen wie etwa denen zur Miethöhe (vgl. dazu BGH, Urt. v. 25.11.2015 - XII ZR 114/14 NJW 2016, 311 Rz. 17; v. 11.4.2018 - XII ZR 43/17 NJW-RR 2018, 1101 Rz. 18) nur dann gem. § 550 Satz 1 BGB schriftformbedürftig ist, wenn sie für einen ein Jahr übersteigenden Zeitraum Geltung beansprucht (in diese Richtung schon BGH BGHZ 163, 27 = NJW 2005, 1861, 1862; vgl. auch BGH, Urt. v. 18.6.1969 - VIII ZR 88/67, WM 1969, 920, 921; KG NZM 2018, 607, 611; BeckOK MietR/ [Stand: 1.5.2021] BGB § 550 Rz. 246; Miete 6. Aufl., § 550 BGB Rz. 54; Gewerberaummiete 2. Aufl., § 550 Rz. 46; in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete 4. Aufl. Kap. 6 Rz. 36; BGB [Updatestand: 13.7.2021] § 550 Rz. 42; kritisch Mietrecht 14. Aufl., § 550 BGB Rz. 41). Damit korrespondierend beginnt die Jahresfrist des § 550 Satz 2 BGB auch erst mit Abschluss eines nicht formgerechten Änderungsvertrags, der die Schriftform des ursprünglich formwirksamen Mietvertrags entfallen lässt (vgl. BGHZ 99, 54 = NJW 1987, 948, 949; BGHZ 125, 175 = NJW 1994, 1649, 1651 m.w.N. und BGH, Urt. v. 29.3.2000 - XII ZR 316/97 NJW-RR 2000, 1108, 1109; vgl. auch Senat, Urt. v. 25.1.2017 - XII ZR 69/16 NJW 2017, 1017 Rz. 22 m.w.N.), so dass die Vertragsparteien einschließlich eines ggf. in den Vertrag eintretenden Erwerbers sich selbst bei Vorliegen eines Schriftformverstoßes erst nach Ablauf eines Jahres aus der vertraglichen Bindung lösen können.

Rz. 4

2. Die beiden Vereinbarungen der Mietvertragsparteien zur Minderungshöhe hatten aber - worauf die Revisionserwiderung zu Recht hingewiesen hat - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jeweils eine Laufzeit von deutlich unter einem Jahr. Da die Laufzeit für die Frage der Schriftformbedürftigkeit bezogen auf die einzelne Abrede betrachtet werden muss, weil sie die Vertragsparteien und einen eventuellen Erwerber auch nur insoweit binden konnte, ist rechtlich unerheblich, dass beide Vereinbarungen zusammen mit 15 Monaten ein Jahr überschritten. Der von der Klägerin aus diesen Abreden abgeleitete Schriftformverstoß des bis 31.8.2020 befristeten und mit zwei jeweils fünfjährigen Verlängerungsoptionen versehenen Mietvertrags war mithin nicht gegeben, so dass die darauf gestützte ordentliche Kündigung der Klägerin und das mit der Klage verfolgte Räumungs- und Herausgabebegehren unberechtigt waren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 14844469

BB 2021, 2561

NJW 2021, 8

NJW-RR 2021, 1524

IBR 2021, 656

NZM 2021, 929

WM 2022, 1082

ZMR 2021, 2

ZMR 2022, 23

ZfIR 2022, 98

MDR 2021, 1454

NJ 2022, 32

WuM 2021, 671

NJW-Spezial 2021, 738

RÜ 2022, 92

immobilienwirtschaft 2022, 53

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