Leitsatz (amtlich)

Auch bei einem für längere Zeit als ein Jahr geschlossenen Mietvertrag bedarf die nachträgliche Vereinbarung der - auch unbefristeten - Herabsetzung des Mietzinses nicht der Schriftform, wenn der Vermieter sie jederzeit zumindest mit Wirkung für die Zukunft widerrufen darf.

 

Normenkette

BGB n.F. § 550

 

Verfahrensgang

OLG Rostock (Urteil vom 25.06.2001; Aktenzeichen 3 U 162/00)

LG Neubrandenburg (Urteil vom 03.05.2000)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Rostock v. 25.6.2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt wurde.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Rostock v. 3.5.2000 unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten abgeändert und wie folgt neu gefasst:.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.379,75 EUR (10.521,88 DM) nebst 4 % Zinsen vonje 285,82 DM für die Zeit v. 5.10.1999 bis 31.12.1999, 4.11.1999 bis 31.12.1999 und 4.12.1999 bis 31.12.1999

sowie je 1.339,80 DM seit dem 5.10.1999, 4.11.1999 und 4.12.1999

sowie je 1.625,62 DM seit dem 7.1.2000, 4.2.2000, 3.3.2000 und 5.4.2000

zu zahlen.

In Höhe eines Betrages von 857,46 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1.1.2000 ist die Hauptsache erledigt.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um rückständigen Mietzins und Nebenkostenvorauszahlungen sowie um die vorzeitige Beendigung eines Mietvertrages.

Mit schriftlichem Vertrag v. 8./12.1.1996 mietete die Beklagte unter Ausschluss der Kündigung bis Ende Januar 2006 ein Ladenlokal in einem von der Klägerin erstellten Einkaufszentrum zum Betrieb eines Kosmetikstudios und einer Parfümerie zu einem monatlichen Mietzins von 2.079 DM zzgl. 246,40 DM Nebenkostenvorauszahlung, jeweils nebst Mehrwertsteuer.

In der Folgezeit bat die Beklagte um eine Herabsetzung des Mietzinses, da das Einkaufszentrum weniger attraktiv sei als vor Vertragsschluss von der Klägerin angepriesen; außerdem sei mehrfach in ihr Ladenlokal eingebrochen worden.

Nach längeren Verhandlungen unterbreitete die Klägerin ihr mit Schreiben v. 21.7.1997 folgendes Angebot:

"Rückwirkend ab 1.1.1997 zunächst bis zum 31.12.1997 wollen wir Ihre Miete auf 15 DM/qm netto-kalt reduzieren. Dieses Angebot erfolgt ohne Präjudiz und kann von uns jederzeit widerrufen werden. Über eine Fortsetzung über den 31.12.1997 hinaus, müssten wir zu gegebener Zeit sprechen."

Daraufhin zahlte die Beklagte - auch über das Jahresende 1997 hinaus - nur noch den auf monatlich 1.155DM + 16 % MwSt. = 1.339,80 DM ermäßigten Mietzins zzgl. Nebenkostenvorauszahlungen.

Mit Schreiben v. 18.5.1999 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis außerordentlich zum 30.9.1999, hilfsweise fristgemäß zum nächstzulässigen Termin. Die außerordentliche Kündigung begründete sie mit unzureichender Attraktivität des Einkaufszentrums und zahlreichen Einbrüchen in ihr Ladenlokal. Im September 1999 räumte sie das Mietobjekt und stellte ihre Zahlungen zum Oktober 1999 ein.

Das LG gab der Klage in Höhe eines Betrages von 4.876,86 DM (Mietzins und Nebenkostenvorauszahlungen für Oktober bis Dezember 1999) statt. Die weiter gehende Klage (Mietzins und Nebenkostenvorauszahlung für die Monate Januar bis April 2000) wies es ab. Ferner stellte es auf die Widerklage der Beklagten entsprechend dem Hilfsantrag fest, dass das Mietverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zum 31.12.1999 beendet wurde; den auf Feststellung der Beendigung schon zum 30.9.1999 gerichteten Hauptantrag wies es ab.

Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wies das OLG zurück, die Berufung der Klägerin jedoch auf Grund deren einseitiger Erledigungserklärung mit der Maßgabe, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der Nebenkostenvorauszahlungen für die Monate Oktober bis Dezember 1999 (857,46 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 1.1.2000 in der Hauptsache erledigt ist.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese ihre Anträge auf Zahlung des Mietzinses und der Nebenkostenvorauszahlungen für die Monate Januar bis April 2000 sowie auf Abweisung der Feststellungswiderklage der Beklagten weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Voraussetzungen eines außerordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten hätten nicht vorgelegen. Dies wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen, auch von der Revisionserwiderung nicht gerügt und lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

2. Das Berufungsgericht ist jedoch der Ansicht, die Kündigungserklärung der Beklagten v. 18.5.1999 habe - als ordentliche Kündigung - das Mietverhältnis gem. §§ 566, 565 Abs. 1a BGB a.F. vorzeitig zum 31.12.1999 beendet, da der Mietvertrag nach Herabsetzung des Mietzinses nicht mehr der Schriftform entsprochen habe.

Es geht davon aus, dass der Mietvertrag auf Grund fester körperlicher Verbindung der zugehörigen Anlagen mit der Vertragsurkunde ursprünglich der Schriftform entsprach, was die Revision als ihr günstig nicht angreift und auch keinen Rechtsfehler erkennen lässt.

Das Berufungsgericht lässt zwar dahinstehen, ob die zunächst nur für 1997 vereinbarte Absenkung des Mietzinses der Schriftform bedurft hätte, stellt aber fest, die Parteien hätten später Einigkeit darüber erzielt, dass auch nach 1997 nur noch der reduzierte Mietzins zu zahlen war, ohne diese nachträgliche Vereinbarung in einer der erforderlichen Schriftform genügenden Weise getroffen zu haben. Die Beklagte verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben, wenn sie sich auf den Mangel der Schriftform berufe, da die Vereinbarung des geringeren Mietzinses sie nicht einseitig begünstige. Mit dieser Vereinbarung habe sie nämlich zugleich darauf verzichtet, wegen der von ihr zur außerordentlichen Kündigung vorgebrachten Gründe Gewährleistungsansprüche geltend zu machen oder sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen.

3. Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung und den Angriffen der Revision nicht stand.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Vereinbarung der Herabsetzung des Mietzinses die Beklagte - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - einseitig begünstigte mit der Folge, dass diese sich nach Treu und Glauben nicht auf einen darauf beruhenden Mangel der Schriftform berufen darf. Denn diese Vereinbarung bedurfte der Schriftform nicht.

a) Die Beklagte hat das im Schreiben der Klägerin v. 14.1.1997 enthaltene Angebot auf "zunächst" bis Ende 1997 befristete Herabsetzung des Mietzinses durch entsprechend herabgesetzte Zahlungen konkludent angenommen.

Diese Vereinbarung bedurfte indes - was das Berufungsgericht aus seiner Sicht folgerichtig dahinstehen lässt - schon deshalb nicht der Schriftform, weil die Klägerin sich den jederzeitigen Widerruf des Mietzinsnachlasses vorbehalten hatte. Deshalb wäre ein nach § 571 BGB a.F. auf Vermieterseite in den Vertrag eintretender Grundstückserwerber, dessen Schutz § 566 BGB a.F. bezweckt, auch bei einem Erwerb im Jahre 1997 nicht an die vereinbarte Änderung gebunden gewesen, weil das Recht, sie jederzeit zu widerrufen, ebenfalls mit dem Erwerb auf ihn übergegangen wäre.

Deshalb bedarf es hier auch keiner Entscheidung, ob eine nachträgliche Herabsetzung des Mietzinses nur dann nicht der Schriftform bedarf, wenn sie das erste Mietjahr betrifft (BGH, Urt. v. 18.6.1969 - VIII ZR 88/67, LM § 126 BGB Nr. 7 Bl. 2 = WM 1969, 920 f.), oder - wozu der Senat neigt - auch dann nicht, wenn sie zwar einen späteren Zeitraum betrifft, ihre Geltungsdauer aber ein Jahr nicht übersteigt (h.M., vgl. Müller, JR 1970, 86 [87]; Staudinger/Emmerich, BGB, 2003, § 550 Rz. 31, m.N.; Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 550 Rz. 16; Schultz in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 566 Rz. 197; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rz. 118; Heile in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Rz. 763, 773; Kellendorfer in Müller/Walther, Miet- und Pachtrecht, § 550 Rz. 40; juris PK/Tonner, 2. Aufl., § 550 Rz. 13; OLG Hamburg v. 21.8.2002 - 4 U 99/01, OLGReport Hamburg 2003, 153 f.; BGH v. 12.3.2003 - XII ZR 18/00, BGHZ 154, 171 [180] = MDR 2003, 865 = BGHReport 2003, 722, m. Anm. Leo: § 566 BGB a.F. soll einen potentiellen Grundstückserwerber nur davor schützen, beim Eintritt in einen ihm nicht bekannten Vertrag an dessen Bedingungen länger als ein Jahr gebunden zu sein).

b) Auch die Feststellung des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien bestehe "Einigkeit, dass auch nach 1997 nur der reduzierte Mietzins zu zahlen war", rechtfertigt nicht den Schluss, dass die Schriftform des Mietvertrages jedenfalls vom Zeitpunkt dieser Einigung an nicht mehr gewahrt gewesen sei.

Das Berufungsgericht hat nicht etwa festgestellt, die Parteien hätten vereinbart, dass der Mietzins - in erneuter Änderung der 1997 getroffenen Vereinbarung - unwiderruflich bis zum vereinbarten Vertragsende herabgesetzt wird. Eine solche Feststellung hätte auch jeder tatsächlichen Grundlage entbehrt. Der Umstand, dass die Beklagte auch über 1997 hinaus nur den herabgesetzten Mietzins zahlte und die Klägerin dies unwidersprochen hinnahm, kann allenfalls als stillschweigende Einigung darüber angesehen werden, dass die ursprüngliche Befristung des Mietnachlasses bis Ende 1997 entfallen sollte. Eine weiter gehende Änderung der 1997 erzielten Übereinkunft, insb. der Wegfall des Vorbehalts ihres Widerrufs, konnte dem Verhalten der Klägerin in den Folgejahren auch aus der Sicht der Beklagten nicht entnommen werden. Sie ist auch nicht Bestandteil der das Revisionsgericht bindenden Feststellung des Berufungsgerichts. Denn die Feststellung, dass die Parteien sich über die Zahlung des reduzierten Mietzinses auch nach 1997 einig waren, trifft zu, weil die Klägerin ihr Entgegenkommen nicht widerrufen hat; sie beinhaltet aber nicht, dass die Parteien sich auch darüber einig gewesen seien, dass die Klägerin es nicht mehr hätte widerrufen dürfen. Damit verblieb es bei dem im Angebot der Klägerin v. 21.7.1997 ausdrücklich erklärten Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs des gewährten Mietnachlasses.

Aufgrund dieser nach wie vor bestehenden Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs konnte auch durch einen Wegfall der Befristung in der ursprünglichen Änderungsvereinbarung eine längerfristige künftige Bindung der Klägerin an den gewährten Mietnachlass nicht eintreten, mag dieser der Beklagten auch tatsächlich länger als ein Jahr gewährt worden sein. Auch ein potentieller Grundstückserwerber wäre daran nicht längerfristig gebunden gewesen, weil auch er nach seinem Eintritt in den Mietvertrag gem. § 571 BGB a.F. von diesem Recht zum Widerruf jederzeit hätte Gebrauch machen können.

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nur die Klägerin bzw. ein späterer Grundstückserwerber sich durch einseitige Erklärung von der vereinbarten Herabsetzung des Mietzinses lösen konnte, denn diese begünstigte allein die Beklagte. Dieser wäre es jedenfalls unbenommen geblieben, zur Zahlung des ursprünglichen Mietzinses zurückzukehren; es erscheint nach der Lebenserfahrung ausgeschlossen, dass ihr Vertragspartner sich dem widersetzt hätte. Nichts Anderes gilt, wenn die Beklagte mit Rücksicht auf die Herabsetzung des Mietzinses auf Gewährleistungsansprüche wegen der eingetretenen Geschäftsentwicklung verzichtet hätte, was das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen. Denn der Verzicht auf Gewährleistungsansprüche wegen eines bestimmten, bereits eingetretenen Mangels bedarf nicht der Schriftform, weil er nicht den Inhalt des Mietvertrages ändert, auch nicht den Umfang des geschuldeten Mietgebrauchs, sondern nur die rechtlichen Folgen seiner nicht vertragsgemäßen Gewährung betrifft; abgesehen davon bedarf ein potentieller Grundstückserwerber als neuer Vermieter insoweit keines Schutzes.

4. Die angefochtene Entscheidung kann nach alledem keinen Bestand haben, soweit sie die Klägerin beschwert.

Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.

Die Anschlussberufung der Beklagten ist zurückzuweisen, weil der damit weiterverfolgte Antrag auf Feststellung der vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages unbegründet ist. Die Vereinbarung in § 4 Abs. 2 des Mietvertrages, dass das Mietverhältnis frühestens zum 1.2.2006 gekündigt werden kann, ist wirksam, weil die Schriftform des Mietvertrages gewahrt ist.

Da das Mietverhältnis somit fortbestand, ist die Berufung der Klägerin auch insoweit begründet, als sie sich gegen die Abweisung der Klage auf Mietzins und Nebenkostenvorauszahlung für die Monate Januar bis April 2000i.H.v. 4x 1.625,62 DM = 6.502,48 DM nebst Zinsen richtet.

 

Fundstellen

BGHZ 2005, 27

NJW 2005, 1861

NWB 2005, 2356

BGHR 2005, 963

DWW 2005, 233

NZM 2005, 456

WM 2005, 1336

ZAP 2005, 935

ZMR 2005, 534

ZfIR 2005, 460

MDR 2005, 857

NJ 2005, 314

VuR 2005, 239

GuT 2005, 148

Info M 2005, 144

MietRB 2005, 228

RdW 2005, 547

IWR 2005, 73

MK 2005, 174

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