Zusammenfassung

 
Begriff

Die Videoüberwachung ist ein zunehmend häufiger Streitpunkt zwischen Nachbarn, Vermietern und Mietern sowie Wohnungseigentümern. Egal, ob Kamera-Attrappe oder ständig laufende Kamera mit Aufzeichnungsmöglichkeit: Ziel ist aus Sicht des Überwachenden in den meisten Fällen die Gefahrenabwehr. Vor allem Vermieter und Wohnungseigentümer, aber auch Mieter erhoffen sich Schutz vor Einbruch bzw. Eigentumsverletzungen durch Vandalismus, Schmierereien oder Sprayaktionen. Doch so mancher fühlt sich durch die mögliche Beobachtung gestört. Wann ist Videoüberwachung erlaubt und wann verboten?

1 Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Grundsätzlich gilt, dass der Persönlichkeitsschutz Vorrang vor dem Eigentumsschutz hat. Bei der Frage, ob eine Videoüberwachung stattfinden darf oder nicht, muss das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Einzelfall abgewogen werden.[1] Grundsätzlich hat der Eigentümer ein Recht darauf, sein Eigentum zu schützen. Andererseits ist die Privatsphäre eines jeden Menschen in der Weise geschützt, dass er darüber entscheiden kann, ob er sich als individualisierbare Person in irgendeiner Weise visuell erfassen lassen will. Die Gerichte räumen dem Schutz dieses Persönlichkeitsrechts regelmäßig einen höheren Rang ein, als dem bloßen Schutz des Eigentums.[2]

[1] BGH, Urteil v. 25.4.1995, VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955.
[2] Vgl. auch BVerfG, Urteil v. 23.2.2007, 1 BvR 2368/06, NVwZ 2007, 688.

1.1 Öffentlicher oder privater Lebensraum

Nach der Rechtsprechung des BGH dürfen weder angrenzende öffentliche Bereiche und Wege, noch Nachbargrundstücke, noch gemeinsame Zugänge zu Grundstücken von einer Videokamera erfasst werden[1], denn die Aufzeichnung mittels eines Videogeräts in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Bereich kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Person erheblich beeinträchtigen. Ob eine Videoüberwachung rechtswidrig oder zulässig ist, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch eine ausführliche Güter- und Interessenabwägung ermittelt werden.

Eine Videoaufzeichnung und damit ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter ist nur dann zulässig, wenn schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Rechte desjenigen, der die Überwachung einsetzt, nur durch eine Überwachung begegnet werden kann (z. B. Angriffe auf seine Person oder auf seine unmittelbare Wohnsphäre).[2]

Im Umkehrschluss gilt, dass eine Videoüberwachung, die sich allein auf die privaten Flächen und Räume desjenigen erstreckt, der Überwachungskameras einsetzt, zulässig ist.[3] Ist aber nicht sicher auszuschließen, dass sich die Kamera auch auf das Nachbargrundstück ausrichten lässt, ist eine Videoüberwachung unzulässig.[4]

 
Praxis-Tipp

Festgestellte Kamera

Auf der sicheren Seite sind Sie, wenn Sie eine fest installierte Kamera verwenden, die sich nicht schwenken lässt. Auf diese Weise ist für den Nachbarn ersichtlich, dass die Kamera nicht auch sein Grundstück mit überwacht.

[1] Vgl. BGH, Urteil v. 16.03.2010, VI ZR 176/09, NZM 2010, 373; BGH, Urteil v. 25.4.1995, VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955.
[2] BGH, Urteil v. 25.4.1995, VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955.
[3] BGH, Urteil v. 16.03.2010, VI ZR 176/09, NZM 2010, 373.
[4] LG Frankenthal, Urteil v. 16.12.2020, 2 S 195/19; AG München, 14.11.2017, 172 C 14702/17; vgl. aber auch AG München, Urteil v. 22.11.2018, 213 C 15498/18, wo anlässlich einer Hausdurchsuchung festgestellt wurde, dass die Videokameras nicht auf das Nachbargrundstück ausgerichtet waren und der Unterlassungsanspruch deshalb abgewiesen wurde.

1.2 Datenschutz

 
Hinweis

§ 4 BDSG ist europarechtswidrig

Mit § 4 BDSG wollte der deutsche Gesetzgeber eine klare und einfache Regelung zur Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen schaffen – im Unterschied zu Art. 6 Abs. 1f DSGVO, der eine umfangreiche Abwägung erforderlich macht. § 4 BDSG wurde aber 2019 vom BVerwG für europarechtswidrig erklärt, weil die DSGVO die Videoüberwachung abschließend regele.[1] In der Folge gilt § 4 BDSG nur für öffentliche Stellen und Behörden. Für Privatpersonen und Firmen ist Art. 6 Abs. 1f DSGVO einschlägig mit der entsprechend vorzunehmenden Abwägung im Einzelfall.

Nach dem EuGH ist auch das Datenschutzrecht zu beachten, sobald sich eine private Videoüberwachung auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt.[2] Rechtsgrundlage ist hier Art. 6 Abs. 1f DSGVO. Danach ist die Verarbeitung zulässig, "wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt". Nach dieser Vorschrift ist eine Videoüberwachung also nur zulässig, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  1. Es besteht ein berechtigtes Interesse an der Überwachung,
  2. die Überwachung ist erforderlich und
  3. im Rahmen einer Abwägung überwiegt das Interesse des Überwachenden die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Personen, die m...

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