Leitsatz (amtlich)

Bei einem Antrag des Unterhaltsverpflichteten auf Abänderung einer Jugendamtsurkunde über Kindesunterhalt infolge Eintritts der Volljährigkeit ist das volljährige Kind sowohl dafür, dass ein Unterhaltsanspruch fortbesteht, als auch für den Umfang der Mithaftung des anderen Elternteils darlegungs- und beweispflichtig. Für die Abänderung von Jugendamts-urkunden gilt die zeitliche Sperrwirkung nach § 238 Abs. 3 FamFG nicht. Sie können deshalb auch rückwirkend für die Zeit vor einem Auskunfts- oder Verzichtsverlangen abgeändert werden. Grenzen der rückwirkenden Abänderung können sich aus § 242 BGB ergeben.

 

Verfahrensgang

AG Quedlinburg (Beschluss vom 20.01.2014; Aktenzeichen 4 F 378/13)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG B. vom 20.1.2014 - 4 F 378/13 UK, teilweise abgeändert und in der Sache wie folgt neu gefasst:

Die Antragstellerin ist in Abänderung der Jugendamtsurkunde des Landkreises B. vom 28.5.2002, Urkunden-Register-Nr.:.../2002, ab August 2011 gegenüber dem Antragsgegner nicht mehr zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet.

2. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt der Antragsgegner, wobei Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden.

3. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 6.580,- EUR festgesetzt.

4. Dem Antragsgegner wird Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung für die Beschwerdeinstanz unter Beiordnung von Rechtsanwältin Feldheim zu seiner Vertretung bewilligt.

5. Der Beschluss ist sofort wirksam.

 

Gründe

I. Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 63 Abs. 1 und 3, 64 FamFG eingelegte und fristgerecht nach § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG i.V.m. § 112 Nr. 1 FamFG begründete Beschwerde der Antragstellerin (Bl. 41 - 43 d.A.) gegen den Beschluss des AG Quedlinburg vom 20.1.2014 (Bl. 24, 25 d.A.), der, was die angefochtene teilweise Zurückweisung des gegenständlichen Abänderungsantrags anbelangt, nicht auf einer Säumnis der Antragstellerin beruht und deshalb unbeschadet der Vorschrift des § 514 ZPO (i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG) der unbeschränkten Anfechtung unterliegt, hat auch in der Sache Erfolg.

Über das zulässige Rechtsmittel kann der Senat nach entsprechendem Hinweis gem. § 117 Abs. 3 FamFG in. Verb. mit § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da von einer erneuten Verhandlung in zweiter Instanz keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren.

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das AG das Begehren der Antragstellerin als Abänderungsantrag nach § 239 FamFG betrachtet. Ein zur Zeit der Minderjährigkeit des Kindes ergangener Titel über die Zahlung von Kindesunterhalt behält seine Gültigkeit, auch wenn das Kind volljährig wird, weil sich hierdurch am Grund der Unterhaltsverpflichtung, nämlich der Verwandtschaft in gerader Linie (§ 1601 BGB), nichts ändert.

Der Eintritt der Volljährigkeit des Antragsgegners stellt, wovon offenbar auch das AG ausgegangen ist, eine neue Tatsache i.S.d. § 239 Abs. 1 Satz 2 FamFG dar, die es hier nach Maßgabe des Abs. 2 der Vorschrift und den Grundsätzen des § 313 BGB über die Störung der Geschäftsgrundlage erforderlich macht, unter Abänderung der Jugendamtsurkunde den Wegfall der Unterhaltsverpflichtung festzustellen.

Angesichts seiner Volljährigkeit und einer damit einhergehenden erhöhten eigenen Erwerbsobliegenheit und einer seither auch bestehenden Mithaftung seines Vaters für den Barunterhalt ist der Antragsgegner in diesem Verfahren darlegungs- und beweispflichtig sowohl dafür, dass ein Unterhaltsanspruch fortbesteht, als auch für den Umfang der Mithaftung des anderen Elternteils. An einem derartigen Vortrag des Antragsgegners fehlt es hier. Auch sonst ist nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsgegner nach Erreichen der Volljährigkeit sich noch in der allgemeinen Schulausbildung befindet und deshalb in privilegierender Weise nach § 1602 Abs. 2 Satz 2 BGB einem minderjährigen unverheirateten Kind gleichzustellen wäre oder aber im Rahmen einer Erstausbildung nach Maßgabe des § 1610 Abs. 2 BGB noch Unterhalt verlangen dürfte.

Nicht zu folgen vermag der Senat dem AG indes hinsichtlich der in der angefochtenen Entscheidung nicht weiter begründeten Ansicht, ein Wegfall der Unterhaltspflicht und damit eine Abänderung der Jugendamtsurkunde komme erst ab der ergebnislosen Aufforderung in Betracht. Hierbei hat das AG offensichtlich nicht beachtet, dass die für eine Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen nach § 238 Abs. 3 FamFG vorgesehene zeitliche Sperrwirkung in Ermangelung einer entsprechenden Vorschrift im hier maßgeblichen Anwendungsbereich des § 239 FamFG nicht gilt (vgl. Lorenz, in Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 239 FamFG Rz. 3), weshalb Jugendamtsurkunden auch rückwirkend für die Zeit vor einem Auskunfts- oder Verzichtsverlangen abgeändert werden können.

Überzeugende Gründe dafür, weshalb hier der Antragstellerin eine derartige Abänderung der Jugendamtsurkunde für die V...

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