Leitsatz (amtlich)

1. Zur Erfüllung der Pflicht, die Fußböden der dem Publikumsverkehr gewidmeten Räume im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen während der Geschäftszeiten frei von Gefahren zu halten, hat der Betreiber eines Supermarkts durch Anordnung darauf hinzuwirken, dass die Böden regelmäßig kontrolliert und gereinigt werden.

2. Kontroll- und Reinigungsabstände von 15 Minuten sind grundsätzlich nicht zu beanstanden, denn es sind auch wirtschaftliche Gesichtspunkte zu bedenken. Weitergehende Maßnahmen können bei Anlagen eines objektiven Maßstabs vom Kunden nicht erwarten werden. Dies gilt auch für die besonders gefahrenträchtige Gemüseabteilung.

3. In kleinen, ohne weiteres räumlich überschaubaren Geschäften kann eine allgemeine Anweisung an das gesamte Personal, alle 15 Minuten zu kontrollieren, ob Verunreinigungen vorhanden sind und diese zu beseitigen, genügen und es nicht erforderlich sein, eine bestimmte Personen mit der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht zu betrauen.

4. Der Geschäftsinhaber genügt seiner Verkehrssicherungspflicht aber nicht bereits durch die Anweisung, die Kontrollen und die Reinigung in bestimmten Abständen durchzuführen. Vielmehr muss er die Beachtung seiner Anweisung auch regelmäßig kontrollieren.

5. Vortrag, der aus prozesstaktischen Erwägungen zurückgehalten wurde, um erst einmal abzuwarten, wie sich das Gericht zu dem schon vorgebrachten Prozessstoff stellt, ist nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Wer sehenden Auges seine Einkommensverhältnisse nicht offen legt, obwohl gerade daraus ein Anspruch hergeleitet werden soll, geht das Risiko ein, erst im Berufungsrechtszug zu obsiegen und dort zur Höhe des Anspruchs aufgrund der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr vortragen zu können.

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Urteil vom 12.12.2002; Aktenzeichen 7 O 192/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Heidelberg vom 12.12.2002 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.000,00 Euro zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins, höchstens jedoch 8,62 % seit dem 26.6.2002 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. 1. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im ersten Rechtszug tragen die Klägerin 91 % und der Beklagte zu 1) 9 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) im ersten Rechtszug tragen die Klägerin 82 % und der Beklagte zu 1) 18 % selbst.

2. Von den Kosten des zweiten Rechtszugs tragen die Klägerin 82 % und der Beklagte zu 1) 18 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz für eine Verletzung, die sie sich beim Sturz in einem Lebensmittelgeschäft, das zumindest auch vom Beklagten betrieben wird, zugezogen hat. Das LG, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen, da der Beklagte seiner Verkehrssicherungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Klagbegehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags weiter verfolgt. Der Beklagte verteidigt das Urteil. Wegen des Weiteren Sach- und Streitstands im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

II. Die Berufung ist hinsichtlich des Schmerzensgeldes teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schmerzensgeld i.H.v. 3.000 Euro gem. § 847 BGB in der bis 31.7.2002 geltenden Fassung (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB).

a) Die getroffenen Feststellungen des LG werden von den Parteien nicht angegriffen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen begründen könnten, sind auch nicht ersichtlich (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

b) Die Berufung rügt jedoch zu Recht, dass das LG die Anforderungen an die im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht zu treffenden Maßnahmen eines Supermarktbetreibers nicht richtig bestimmt hat. Das Urteil beruht deshalb auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

aa) Aufgrund der Feststellungen des LG ist davon auszugehen, dass die Klägerin auf dem Fruchtfleisch einer oder mehrerer auf dem Fußboden beim Obststand des Geschäfts liegenden Trauben ausgerutscht ist. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der objektiv verkehrswidrige Zustand des Bodens und damit die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht eine Ursache für den Sturz bildete. Die Anwendung des Anscheinsbeweises ist bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten geboten, die wie Schutzgesetze und Unfallverhütungsvorschriften durch genaue Verhaltensanweisungen typischen Gefährdungen entgegen wirken sollen, wenn sich in dem Schadensereignis gerad...

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