Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung: Umfang der titulierten Unterlassungsverpflichtung ("Kernverstoß")

 

Leitsatz (amtlich)

Ist dem Schuldner durch den Titel unter Bezugnahme auf eine bestimmte Werbung ("wenn dies geschieht wie in Anlage ... wiedergegeben") untersagt, für Kraftfahrzeuge zu werben, ohne näher bezeichnete Angaben zu Verbrauchs- und Emissionswerten zu machen, und ist in der in Bezug genommenen Werbung die Motorleistung einzelner Fahrzeuge mit "PS" und "kW" angegeben, wird eine neue Werbung, die die Angaben zu Verbrauchs- und Emissionswerten ebenfalls nicht enthält, vom Verbotskern dieses Titels nicht erfasst, wenn die Fahrzeuge lediglich mit Modellbezeichnungen beworben werden, die als Hinweis auf den Hubraum verstanden werden können ("1.2" bzw. "2.2").

 

Normenkette

ZPO § 890

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 22.08.2017; Aktenzeichen 22 O 309/11)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Gegen die Beklagte wird ein Ordnungsgeld in Höhe von 7.500,- EUR, ersatzweise ein Tag Ordnungshaft für jeweils 750,- EUR Ordnungsgeld, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, verhängt.

Im Übrigen wird der Vollstreckungsantrag vom 04.05.2017 zurückgewiesen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten erster Instanz und die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen; die Gebühr nach Ziffer 2121 VV-GKG wird auf die Hälfte ermäßigt.

Beschwerdewert: 22.500,- EUR

 

Gründe

I. Die Beklagte ist vom Landgericht Darmstadt mit Urteil vom 22.08.2012, berichtigt durch das Urteil des OLG Frankfurt vom 06.02.2014, verurteilt worden, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet für neue Personenkraftwagenmodelle, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden (im Sinne des § 2 Nr. 1 der Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen), zu werben, ohne zugleich deren Werte des offiziellen Kraftstoffverbrauchs im kombinierten Testzyklus und deren Werte der offiziellen spezifischen CO2-Emissionen im kombinierten Testzyklus anzugeben und sicherzustellen, dass dem Empfänger der Werbung diese Informationen automatisch in dem Augenblick zur Kenntnis gelangen, die dem auf der Internetseite erstmalig Angaben zur Motorleistung der beworbenen Personenkraftwagen gemacht werden, wenn dies dadurch geschieht wie in Anlage K3 wiedergegeben.

Auf Antrag des Klägers vom 04.05.2017 hat das Landgericht Darmstadt mit Beschluss vom 22.08.2017 wegen drei angeblicher Zuwiderhandlungen vom 18.10.2016, vom 14. und vom 23.02.2017 gegen das Verbot ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 22.500,00 verhängt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der (sofortigen) Beschwerde.

Sie beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 22.08.2017 aufzuheben und den Antrag des Klägers vollumfänglich zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde ist zulässig. In der Sache hat sie nur zum Teil Erfolg.

1. Die Beklagte hat mit der aus der Werbung vom 18.10.2016 (Anlage 3 zum Vollstreckungsantrag) schuldhaft gegen das titulierte Verbot verstoßen.

a) Bei der beanstandeten Werbung handelt es sich um ein Fahrzeugangebot aus dem Internetauftritt der Beklagten, mit dem ein PKW-Sondermodell "X" beworben wird. Dabei werden Angaben zur Motorleistung (52 kW/71 PS) gemacht. Informationen zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen werden nicht an gleicher Stelle zur Kenntnis gebracht. Die Werbung fällt damit in den Kernbereich des titulierten Verbots. Diesem lagen ebenfalls Neuwagenangebote zugrunde, bei denen Angaben zur Motorleistung (KW / PS) gemacht wurden, ohne an gleicher Stelle die Pflichtinformationen anzugeben.

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich nicht deshalb etwas anderes, weil das gerichtliche Verbot auf die konkrete Verletzungsform (Anlage K3) bezogen ist. Der Verbotsbereich eines auf eine konkrete Verletzungsform bezogenen Unterlassungstitels beschränkt sich nicht auf die konkrete Verletzungsform. Er erstreckt sich vielmehr auf kerngleiche Verletzungshandlungen, also Abwandlungen der konkreten Verletzungsform, in denen das Charakteristische des titulierten Verbots zum Ausdruck kommt und die bereits Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren gewesen sind. Mit einem solchen Antrag ist im Allgemeinen kein Verzicht auf die Unterlassung kerngleicher Verletzungshandlungen verbunden (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH GRUR 2017, 208 [BGH 29.09.2016 - I ZB 34/15] Rn. 35 - Produktrückruf). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Auslegung des Klageantrags ergibt, dass in der Wahl der konkreten Verletzungshandlung als Unterlassungsbegehren eine bewusste Beschränkung liegt (BGH, a.a.O.). Hierfür gibt es im Streitfall ...

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