Leitsatz (amtlich)

1. Die Grundsätze der Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht von Kreditinstituten im Rahmen eines Anlageberatervertrages gelten in gleicher Form für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S.v. § 2 Abs. 4 WpHG.

2. Verzeichnet ein Wertpapier, welches vom Anlagenberater in Risikoklasse 2 (von 5) eingestuft wurde mit der Risikoumschreibung, dass kurzfristig moderate Kursschwankungen möglich seien, mittel- und langfristig ein Vermögensverlust aber unwahrscheinlich sei, innerhalb von ca. 20 Monaten einen Verlust von über 70 % des Ursprungswertes, besteht der Beweis des ersten Anscheins, dass die Einstufung unzutreffend und die auf die Einstufung gestützte Beratung nicht objektgerecht war.

3. Zum Gegenbeweis, dass die Einstufung ex ante korrekt gewesen wäre.

 

Tenor

  • 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.301,24 EUR nebst 4 % Zinsen vom 10.10.2007 bis 6.8.2009 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 21.11.2009 zu zahlen.

  • 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  • 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Wertpapierhandelshaus Schadensersatz wegen einer behaupteten Pflichtverletzung eines Anlageberatungsvertrages. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Wertpapierhandelshaus, welches in Zusammenarbeit mit einem Kreditinstitut, der ..., hochverzinsliche Tagesgeldkonten anbot sowie gewerbsmäßig insbesondere Anlage- und Vermögensberatung im Bereich börsengehandelter Wertpapiere. Sie war im Besitz einer entsprechenden Erlaubnis nach dem WpHG.

Die im Jahre 1998 geborene Klägerin legte, vertreten durch ihren Vater, Geld bei der Beklagten verzinslich an.

Zunächst schloss sie, vertreten durch ihren Vater, am 20.10.2006 ein Tagesgeldkonto ab mit einem subventionierten Zinssatz (sogenanntes Zins-Plus-Konto). In diesem Zusammenhang füllte der Vater der Klägerin für diese den Analysebogen vom 20.10.2006 aus (Anlage K 2, Bl. 13 d. A.). Dabei ordnete er die Klägerin in die Risikoklasse 1 (von 5) ein, d. h. in die niedrigste Risikoklasse. Diese ist wie folgt beschrieben:

Anlageziel: Die Substanzerhaltung der Anlage steht im Vordergrund.

Risiken: Minimale Kursschwankungen.

Chance: Eine marktgerechte Verzinsung.

Der erhöhte Zinssatz wurde lediglich für 1 Jahr gewährt.

Vor diesem Hintergrund kam es am 2.10.2007 zu einem Telefonat zwischen dem Vater der Klägerin und einem Berater der Beklagten, dem Zeugen .... Dabei ging es um die Frage, ob der Geldbetrag nach Ablauf der hohen Verzinsung anders angelegt werden sollte.

Der Inhalt dieses Telefonats ist zwischen den Parteien im Einzelnen streitig. Der Kläger behauptet, er habe gesagt, dass das Geld absolut sicher angelegt sein müsse. Das sei ihm bestätigt worden. Die Beklagte behauptet, der Vater der Klägerin, der Zeuge ... habe die Klägerin im Telefongespräch mündlich in die Risikoklasse 2 eingestuft. Unstreitig wurde durch die Beklagte nach dem Telefongespräch ein unter dem 2.10.2007 vom Berater ... neu ausgefüllter Risikobogen an die Anschrift der Klägerin und des Zeugen ... übersandt (Anlage B 1, Bl. 66 d. A.) in dem der Anlegertyp 2 angekreuzt ist und wie folgt beschrieben ist:

Anlageziel: Die Sicherheit der Anlage ist mir wichtig, aber für Renditevorteile nehme ich auch angemessene, im Wesentlichen vorübergehende Verlustrisiken in Kauf.

Risiken: Kurzfristige moderate Kursschwankungen sind möglich; mittel/langfristig ist ein Vermögensverlust unwahrscheinlich.

Chance: Eine marktgerechte Verzinsung, die in der Regel über der von Spar- und Festgeldanlagen liegt.

Diesen Risikoanalysebogen nahm der Vater der Klägerin zunächst nicht zur Kenntnis, da er beruflich als Seemann tätig ist und in den Folgemonaten nach dem Telefonat zur See fuhr.

Unstreitig empfahl der Berater ... dem Zeugen ... in dem Telefonat, für seine Tochter Fondsanteile des Fonds ... zu erwerben (...). Diese waren vom Anlageausschuss der Beklagten in Risikoklasse 2 eingestuft. Das wurde dem Vater der Beklagten vom Zeugen ... auch mitgeteilt.

Die Beklagte teilt die Wertpapiere in insgesamt 5 Risikoklassen ein (Anlage K 2, Bl. 14 d. A.). Als Beschreibung werden aufgeführt

für die Risikoklasse 1 Bundesschatzbriefe und Geldmarktfonds,

für die Risikoklasse 2 Bundesobligationen, Bundesanleihen, Anleihen öffentlicher Schuldner und halbstaatlicher Kreditinstitute (...), Pfandbriefe, offene Immobilienfonds, Rentenfonds mit kurzer durchschnittlicher Laufzeit, Produkte mit Kapitalgarantie,

für die Risikoklasse 3 die Vermögensverwaltungsstrategien A + B, Zins-Kombi-Kontos, Staatsanleihen mit gutem Rating aus dem Fremdwährungssektor, Genussscheine und Euro-Anleihen privater Emittenten mit gutem Rating, Aktien aus europäischen Haupt-Indices ohne Fremdwährungsrisiko, Rentenfonds mit mittlerer und langer Restlaufzeit, Aktienfonds aus Euro-Basis und Euroanleihen/Genussscheine börsennotierter Unternehmen mit guter Bonität.

Die Beschreibun...

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