Entscheidungsstichwort (Thema)

Offenlegungspflicht. Jahresabschlussunterlagen. Verschulden. Steuerberater. Aussetzung des Verfahrens. Grundgesetz. Überwachungspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Entscheidung anstehende Verfassungsbeschwerden rechtfertigen jedenfalls dann keine Aussetzung eines Beschwerdeverfahrens nach § 335 Abs. 4 HGB, wenn sich das für das Ordnungsgeldverfahren maßgebliche Verfahrensrecht noch nach dem FGG richtet.

Die Offenlegungsplicht nach § 325 HGB und die Sanktion der Verletzung einer solchen Pflicht nach § 335 HGB sind nicht verfassungswidrig.

Bei der offenlegungspflichtigen Gesellschaft verbleibt nach der Beauftragung eines Steuerberaters zumindest eine Überwachungspflicht.

 

Normenkette

HGB §§ 325, 335

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde vom 23.08.2010 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 2.500,00 EUR wegen verspäteter Einreichung der Jahresabschlussunterlagen 2007 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgeldes mit Verfügung vom 15.04.2009, zugestellt am 21.04.2009, angedroht.

Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene Entscheidung vom 19.08.2010 das bezeichnete Ordnungsgeld festgesetzt.

Gegen die ihr am 21.08.2010 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 23.08.2010 sofortige Beschwerde eingelegt.

Mit der Beschwerdeführerin bekannt gemachter Entscheidung vom 08.10.2010 hat das Bundesamt für Justiz der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 4 HGB statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Die von der Beschwerdeführerin begehrte Aussetzung des Verfahrens kommt nicht in Betracht. Es ist bereits zweifelhaft, ob das hier maßgebliche Verfahrensrecht, das sich noch nach dem FGG richtet, überhaupt eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf eine anhängige Verfassungsbeschwerde zulässt (verneinend mit umfangreichen Nachweisen BayObLG NJW 1967, 110 (112)). Eine Aussetzung kommt aber auch schon deshalb nicht in Betracht, weil das hier zur Entscheidung berufene Gericht davon überzeugt ist, dass das Ordnungsgeldverfahren nach § 335 Abs. 1 HGB in Einklang mit dem Grundgesetz steht (vgl. zu einer Unzulässigkeit der Aussetzung des Verfahrens in solchen Fällen Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 148 Rn. 3a). Die Offenlegungspflicht stellt (u.a.) ein angemessenes Äquivalent der beschränkten Haftung bei Kapitalgesellschaften dar. Es handelt sich (u.a.) um ein bedeutendes Instrument des Gläubigerschutzes. Diese Zielsetzung hat auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen Bedeutung. Einer etwaigen besonderen Belastung kleiner und mittelständischer Unternehmen mit der Offenlegungspflicht tragen die größenabhängigen Erleichterungen (§§ 326 ff. HGB) hinreichend Rechnung (im Ergebnis eine Verfassungswidrigkeit ebenso verneinend LG Bonn NZG 2009, 351; OLG Köln NJW-RR 1992, 486; Baumbach/HopMerkt, HGB, 34. Aufl., § 325 Rn. 2; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 01.02.2011, Az. 2 BvR 1236/10: „Es bestehen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Offenlegungspflicht (§ 325 HGB) und deren Sanktionierung (§ 335 HGB)).

Das Bundesamt für Justiz hat das Ordnungsgeld zu Recht festgesetzt, denn die Beschwerdeführerin hat die Rechnungslegungsunterlagen für das Jahr 2007 weder innerhalb der sich aus § 325 HGB ergebenden gesetzlichen Frist noch innerhalb der mit der Androhungsverfügung gesetzten Nachfrist von sechs Wochen bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht. Maßgeblich für die Frage, ob die genannten Fristen eingehalten wurden, ist die fristgemäße Herbeiführung des Handlungserfolgs, also der rechtzeitige Eingang der vollständigen Unterlagen bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers.

Die Jahresabschlussunterlagen für das Jahr 2007 wurden erst am 28.06.2009 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht. Die mit der Androhungsverfügung gesetzte Nachfrist von 6 Wochen ist jedoch bereits am 02.06.2009 abgelaufen.

Die Beschwerdeführerin hat die maßgeblichen Fristen schuldhaft versäumt.

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 335 Abs. 1 HGB setzt nach allgemeiner Meinung voraus, dass die Gesellschaft die sie nach den §§ 325 ff. HGB treffenden Pflichten schuldhaft verletzt hat. Der Verschuldensvorwurf, der positiv festzustellen ist, muss sich dabei insbesondere auf das fruchtlose Verstreichen der mit der Androhungsverfügung (§ 335 Abs. 3 HGB) gesetzten Nachfrist erstrecken. Die Gründe, die zu der Überschreitung der Fristen geführt haben, sind jedoch zumindest in aller Regel für außenstehende Dritte nicht erkennbar. Deshalb trifft die Beschwerdeführerin insoweit auch im Rahmen eines der Amtsermittlung unterliegenden Verfahrens eine sekundäre Darlegungslast. Es obliegt also zunächst der Beschwerdeführerin, darzulegen, aufgrund welcher Umstände die Fristen nicht eingehalten wurden.

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