Entscheidungsstichwort (Thema)

Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Vorlage zur Vorabentscheidung. Vorschriften über die Zuständigkeit in Versicherungssachen. Möglichkeit, von diesen Zuständigkeitsvorschriften im Wege der Vereinbarung abzuweichen. Begriff ‚Großrisiken‘. Schiffskaskoversicherungsvertrag. Gerichtsstandsvereinbarung zwischen dem Versicherer und dem Versicherten. Wirksamkeit dieser Vereinbarung gegenüber dem Versicherten. Sportboot, das nicht zu gewerblichen Zwecken verwendet wird

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 15 Nr. 5, Art. 16 Nr. 5; EGRL 138/2009 Art. 13 Nr. 27

 

Beteiligte

A1 und A2 (Assurance d'un bateau de plaisance)

A1

A2

I

 

Tenor

Art. 15 Nr. 5 in Verbindung mit Art. 16 Nr. 5 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

ist dahin auszulegen, dass

ein Schiffskaskoversicherungsvertrag über ein Sportboot, das nicht zu gewerblichen Zwecken verwendet wird, nicht unter diesen Art. 15 Nr. 5 fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-352/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Østre Landsret (Landgericht für Ostdänemark, Dänemark) mit Entscheidung vom 27. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Mai 2021, in dem Verfahren

A1,

A2

gegen

I

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer, des Richters A. Kumin (Berichterstatter) und der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Noë, H. Tserepa-Lacombe und C. Vang als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Nr. 5 und Art. 16 Nr. 5 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen A1 und A2, zwei natürlichen Personen mit Wohnsitz in Dänemark, auf der einen und I, einer Versicherungsgesellschaft mit Sitz in den Niederlanden (im Folgenden: Versicherungsgesellschaft I), auf der anderen Seite über die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung in einem Schiffskaskoversicherungsvertrag über ein Segelboot.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 1215/2012

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 15 und 18 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„(15)      Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. …

(18)      Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitsverträgen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.“

Rz. 4

Die Zuständigkeit für Versicherungssachen ist in den Art. 10 bis 16 in Kapitel II Abschnitt 3 der Verordnung Nr. 1215/2012 geregelt.

Rz. 5

Art. 10 dieser Verordnung lautet:

„Für Klagen in Versicherungssachen bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 6 und des Artikels 7 Nummer 5 nach diesem Abschnitt.“

Rz. 6

Art. 11 Abs. 1 der Verordnung sieht vor:

„Ein Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann verklagt werden:

a)      vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat,

b)      in einem anderen Mitgliedstaat bei Klagen des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat, …

…“

Rz. 7

Art. 15 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt:

„Von den Vorschriften dieses Abschnitts kann im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden:

5.      wenn sie einen Versicherungsvertrag betrifft, soweit dieser eines oder mehrere der in Artikel 16 aufgeführten Risiken deckt.“

Rz. 8

In Art. 16 dieser Verordnung heißt es:

„Die in Artikel 15 Nummer 5 erwähnten Risiken sind die folgenden:

1.      sämtliche Schäden

a)      an Seeschiffen, Anlagen vor der Küste und auf hoher See oder Luftfahrzeugen aus Gefahren, die mit ihrer Verwendung zu gewerblichen Zwecken verbunden sind,

b)      an Transportgütern, ausgenommen Reisegepäck der Passagiere, wenn diese Güter ausschließlich oder zum Teil mit diesen Schiffen oder Luftfahrzeugen befördert werden;

2.      Haftpflicht aller Art mit Ausnahme der Haftung für Personenschäden an Passagieren oder Schäden an deren Reisegepäck,

a)      aus der Verwendung oder dem Betrieb von Seeschiffen, Anlagen oder Luftfahrzeugen gemäß Nummer 1 Buchstabe a, es sei denn, dass – was die letztgenannten betrifft – nach den Rechtsvorsch...

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