Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Versicherung von ‚Großrisiken’. Gerichtsstandsklausel, die zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer vereinbart wurde. Durchsetzbarkeit dieser Klausel gegenüber dem Versicherten

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 15 Nr. 5, Art. 16 Nr. 5

 

Beteiligte

BALTA

AAS „Balta”

UAB „Grifs AG”

 

Tenor

Art. 15 Nr. 5 und Art. 16 Nr. 5 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sind dahin auszulegen, dass eine Gerichtsstandsklausel, die in einem durch den Versicherungsnehmer und den Versicherer geschlossenen Vertrag über die Versicherung von „Großrisiken” im Sinne der letztgenannten Bestimmung vorgesehen ist, den Versicherten nicht entgegengehalten werden kann, wenn es sich dabei um nicht gewerblich im Versicherungssektor Tätige handelt, die der Klausel nicht zugestimmt haben und in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Versicherungsnehmers und des Versicherers ansässig sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof von Litauen) mit Entscheidung vom 7. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Dezember 2018, in dem Verfahren

AAS „Balta”

gegen

UAB „Grifs AG”

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richter L. Bay Larsen und N. Jääskinen,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der AAS „Balta”, vertreten durch S. Drazdauskas, advokatas,
  • der UAB „Grifs AG”, vertreten durch J. Milašauskienė, A. Bosaitė, M. Inta und G. Abromavičius, advokatai,
  • der litauischen Regierung, vertreten durch K. Dieninis, R. Butvydytė und G. Taluntytė als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Nr. 5 und Art. 16 Nr. 5 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

Rz. 2

Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der AAS „Balta”, einer Versicherungsgesellschaft mit Sitz in Lettland, und der UAB „Grifs AG” (im Folgenden: Grifs), einem in Litauen eingetragenen Unternehmen für Bewachungs- und Sicherheitsdienstleistungen, wegen der Zahlung einer Versicherungsleistung.

Rechtlicher Rahmen

VerordnungNr. 1215/2012

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 15, 18 und 19 der Verordnung Nr. 1215/2012 sehen vor:

„(15) Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. …

(18) Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitsverträgen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.

(19) Vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten ausschließlichen Zuständigkeiten sollte die Vertragsfreiheit der Parteien hinsichtlich der Wahl des Gerichtsstands, außer bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitsverträgen, wo nur eine begrenztere Vertragsfreiheit zulässig ist, gewahrt werden.”

Rz. 4

Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.”

Rz. 5

Art. 5 Abs. 1 der Verordnung lautet:

„Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden.”

Rz. 6

Die Vorschriften über die Zuständigkeit für Versicherungssachen, die in Kapitel II Abschnitt 3 der Verordnung Nr. 1215/2012 geregelt sind, befinden sich in deren Art. 10 bis 16.

Rz. 7

Art. 10 dieser Verordnung lautet:

„Für Klagen in Versicherungssachen bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 6 und des Artikels 7 Nummer 5 nach diesem Abschnitt.”

Rz. 8

Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1215/2012 kann ein Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, bei Klagen des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden.

Rz. 9

Art. 12 der Verordnung sieht vor:

„Bei der Haftpflicht...

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