Leitsatz (amtlich)

1. Eine gesetzliche Krankenkasse handelt nicht nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig, wenn sie aufgrund einer Bestimmung ihrer Satzung gem. § 194 Abs. 1a SGB V den bei ihr gesetzlich Versicherten den Abschluss privater Krankenzusatzversicherungen vermittelt, ohne im Besitz einer Erlaubnis nach § 34d GewO zu sein.

2. Die gesetzlichen Krankenkassen unterliegen bei der Vermittlung privater Zusatzversicherungsverträge nicht der Erlaubnispflicht des § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO, weil die mit § 194 Abs. 1a SGB für den besonderen Bereich der Zusatzversicherungen zur Ergänzung des gesetzlichen Krankenversicherungsschutzes erfolgte gesetzliche Gestattung der Vermittlertätigkeit als spezialgesetzliche Regelung den die Berufszulassung von Versicherungsvermittlern im Allgemeinen regelnden Vorschriften der GewO vorgeht.

3. Den mit der Versicherungsvermittler-RL (Richtlinie 2002/92/EG) aufgestellten Anforderungen an die Sicherstellung bestimmter beruflicher Anforderungen für Versicherungsvermittler wird durch die staatliche Rechtsaufsicht über die Krankenkassen hinreichend Rechnung getragen.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 3 Nr. 2; GewO § 34d Abs. 1 S. 1; SGB V § 194 Abs. 1a; SGB IV § 87 Abs. 1, § 90; Richtlinie 2002/29/EG Art. 1 ff.

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 23.02.2011; Aktenzeichen 2 O 381/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.09.2013; Aktenzeichen I ZR 183/12)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 23.2.2011 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Potsdam - 2 O 381/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der im Jahr 1992 gegründete Kläger ist ein in der Rechtsform des eingetragenen Vereins tätiger Berufsverband der finanzdienstleistenden Wirtschaft, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu fördern und dabei auch unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen.

Die Beklagte ist eine gesetzliche Krankenkasse, die im Verlauf des Rechtsstreits erster Instanz durch Zusammenschluss der ursprünglich beklagten AOK Berlin-Brandenburg und der AOK Mecklenburg-Vorpommern im Januar 2011 entstanden ist.

Jedenfalls seit November 2008 bot die AOK Berlin-Brandenburg bzw. bietet die nunmehr Beklagte ihren gesetzlich Versicherten den Abschluss privater Zusatzversicherungen für Zahnersatz, Sehhilfen, Krankenhaustagegeld und ähnliche Leistungen zur Ergänzung des gesetzlichen Krankversicherungsschutzes an. Versicherer dieser Leistungen ist die Deutsche Krankenversicherung AG (im Folgenden: DKV), mit der die Beklagte eine Kooperationsvereinbarung geschlossen hat, nach der ihr für die Vermittlung der Zusatzversicherungen eine Aufwandsentschädigung zusteht. Die Beklagte nimmt in ihren Geschäftsstellen Anträge ihrer Versicherten auf Abschluss einer Zusatzversicherung unter Verwendung der Antragsformulare der DKV auf und übermittelt die Anträge an die DKV.

Die von der Aufsichtsbehörde genehmigte Satzung der Beklagten bestimmt, dass sie Zusatzversicherungsverträge privater Krankenversicherungsunternehmen vermitteln kann. Über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Vermittlung von Versicherungsverträgen nach § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO verfügt die Beklagte nicht.

Der Kläger hält die Vermittlung von Zusatzversicherungen ohne die gewerbeordnungsrechtliche Erlaubnis für wettbewerbswidrig.

Nach erfolgloser Abmahnung hat der Kläger Klage auf Unterlassung erhoben und behauptet, er sei als Interessenverband zur Förderung der gewerblichen Interessen von freien Versicherungs- und Kapitalanlagevermittlern anspruchsberechtigt. Von seinen ca. 1.400 Mitgliedern seien mehr als 80 % im Vermittlerregister als Versicherungsvermittler eingetragen und auf demselben Markt wie die Beklagte tätig. Er sei seiner personellen, finanziellen und sachlichen Ausstattung nach in der Lage, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu verfolgen und tue dies seit seiner Gründung aktiv.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte unterfalle dem Geltungsbereich des § 34d Abs. 1 GewO, da sie gewerblich handele, auch wenn sie mit der DKV lediglich eine Aufwandsentschädigung vereinbart habe; tatsächlich erhalte sie jedoch eine über den Aufwand hinausgehende Gegenleistung. Auf die Absicht einer Gewinnerzielung komme es im Rahmen des § 34d GewO zudem nicht entscheidend an. Dies ergebe die Auslegung von § 34d GewO, wie sie auf der Grundlage der Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.12.2002 über Versicherungsvermittlung (Versicherungsvermittler-RL) zu erfolgen habe. Die Vorschrift des § 194 Abs. 1a SGB V, nach der die Satzung einer g...

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