Entscheidungsstichwort (Thema)

Anlagevermittlung. Beratungs- und Auskunftsvertrag mit besonderen Kenntnissen des Vermittlers als Grundlage. Beginn de Tätigkeit. Haftungsfolgen

 

Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen einer Anlagevermittlung kommt zwischen dem Anlageinteressenten und dem Vermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt (st.Rspr., zuletzt Senat, Urt. v. 19.10.2006 - III ZR 122/05, MDR 2007, 228 = BGHReport 2007, 9 = ZIP 2006, 2221). Der Feststellung weiterer besonderer Umstände bedarf es nicht. Das gilt auch dann, wenn der Vermittler bei den Vertragsverhandlungen zugleich als selbständiger "Repräsentant" einer Bank auftritt.

 

Normenkette

BGB § 675 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 12.07.2005; Aktenzeichen 8 U 275/04)

LG Mannheim (Entscheidung vom 12.11.2004; Aktenzeichen 3 O 23/04)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 12.7.2005 aufgehoben, soweit es nicht durch die übereinstimmend erklärte Teilerledigung wirkungslos geworden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs sowie die auf die Teilerledigung entfallenden Kosten des Rechtsstreits, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Die Klägerin verwaltet das Vermögen einer Stiftung, nach deren Satzung ihr Vermögen mündelsicher anzulegen ist. Die Beklagte firmiert unter "h. GmbH" und war zugleich Repräsentantin der B. Bank Luxemburg, einer Niederlassung der B. Bank AG in Dresden.

[2] Im Sommer 2001 rief der seinerzeit bei der Beklagten beschäftigte Zeuge M. die Klägerin an und stellte ihr Anlagemöglichkeiten bei der B. Bank vor. In einem Telefax vom 22.10.2001 mit Briefkopf der Beklagten teilte er der Klägerin unter Bezugnahme auf einen Artikel in der Zeitschrift "Finanzen" mit, die B. gehöre dem "Einlagensicherungsfonds" (sc. des Bundesverbandes deutscher Banken) an. Die Klägerin legte daraufhin unter dem 26.10.2001 345.144,49 DM (= 176.469,57 EUR) als Festgeld für 90 Tage bei der B. Bank an. Der Anlageauftrag enthält vor den Unterschriften die vorgedruckte Bestätigung des Kunden: "Ich/Wir habe/n die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank mit Hinweisen zur Einlagensicherung erhalten, zur Kenntnis genommen und bin/sind mit deren Geltung einverstanden ...". Nach Fristablauf wurde die Anlage von der Klägerin bis zum 22.7.2003 mehrfach verlängert. Unter dem 28.5.2003 übertrug die B. Bank den Geldbetrag von 175.469 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 1.955,50 EUR auf ein neu eingerichtetes Abwicklungskonto der Klägerin bei ihr.

[3] Im Mai 2003 hatte das Bundesamt für Finanzdienstleistungen die B. Bank geschlossen. Über deren Vermögen ist das Insolvenzverfahren beim AG Dresden eröffnet. Tatsächlich war die Bank nicht Mitglied im Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken. Die Klägerin hat ihre Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet.

[4] Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung i.H.v. 178.832,05 EUR nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Abtretung ihrer im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderung gegen die B. Bank, geltend gemacht. Das LG hat der Klage stattgegeben, das OLG hat sie abgewiesen. Im Revisionsverfahren verfolgt die Klägerin unter Abzug eines zwischenzeitlich vom Insolvenzverwalter gezahlten Betrags von 26.852,31 EUR ihren Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

[5] Die Revision hat Erfolg.

I.

[6] Nach Ansicht des Berufungsgerichts lässt sich ein gesonderter Beratungs- oder Auskunftsvertrag zwischen den Parteien nicht feststellen. Wenn ein solcher Auskunftsvertrag zustande gekommen sei, was zugunsten der Klägerin unterstellt werden könne, sei er zwischen dieser und der B. Bank geschlossen worden. Die Bank sei dabei durch die Beklagte und diese durch den Zeugen M. vertreten worden. Allerdings sei die Beklagte ggü. der Klägerin als Anlagevermittlerin aufgetreten. Sie habe aber diese Tätigkeit in ihrer Eigenschaft als Repräsentantin der B. Bank i.S.d. § 53a KWG ausgeübt. Übernehme ein Vermittler mit Wissen und Wollen einer der späteren Vertragsparteien Aufgaben, die typischerweise dieser oblägen, so werde er in deren Pflichtenkreis tätig und sei zugleich als deren Hilfsperson zu betrachten. Um eine solche, den vielfältigen Fällen der Vertreterhaftung von Banken, Sparkassen und Versicherungen in der Rechtsprechung des BGH entsprechende Konstellation handele es sich im vorliegenden Fall. Die B. Bank habe sich vor allem der Geschäftsvermittlung durch Repräsentanten wie der Beklagten bedient, die darauf in ihrem Briefkopf auch offen hingewiesen hätten. Angesichts des hier allein in Rede stehenden Festgeldeinlagengeschäfts gem. § 1 Abs. 1 KWG sei von vornherein klar gewesen, dass dieses nur mit einer Bank habe vermittelt werden können. Die B. Bank habe es den für sie ständig als selbständige Vermittler tätigen Repräsentanten überlassen, Kunden für ihre Anlagen zu werben, die erforderlichen Vertragsverhandlungen zu führen und die Vertragsunterlagen vorzubereiten. Dieser Ablauf und das Auftreten der Beklagten als Repräsentantin der B. Bank sei der Klägerin auch bekannt gewesen. Dass die Beklagte daneben auch als "Vermittlung von Kapitalanlagen" firmiert habe und so im Geschäftsverkehr aufgetreten sei, habe für den Streitfall keine wesentliche Bedeutung gehabt.

[7] Zwar könne im Rahmen der Anlagevermittlung zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler ein gesonderter, konkludent geschlossener Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zustande kommen, wenn der Interessent deutlich mache, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen wolle und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginne. Das hänge jedoch von den Umständen des Einzelfalls ab, beispielsweise einem eigenen wirtschaftlichen Interesse des Auskunftsgebers an dem Geschäftsabschluss, einem persönlichen Engagement in der Form von Zusicherungen nach Art einer Garantieübernahme, dem Versprechen eigener Nachprüfung, der Hinzuziehung des Auskunftsgebers zu Vertragsverhandlungen auf Verlangen des Auskunftsempfängers oder einer bereits anderweitig bestehenden Vertragsbeziehung zwischen Auskunftsgeber und Auskunftsempfänger. Ein solcher zusätzlicher, neben die Tätigkeit der Beklagten in Vertretung der B. Bank tretender und eine eigene Haftung begründender Auskunftsvertrag sei zwischen den Parteien aber nicht geschlossen worden. Entsprechendes gelte für Ansprüche der Klägerin aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo); auch insoweit sei nur die B. Bank, nicht aber die Beklagte persönlich haftbar. Beiden Anspruchsgrundlagen sei gemeinsam, dass eine Eigenhaftung nur eintrete, wenn der Vertreter wirtschaftlich betrachtet gleichsam in eigener Sache tätig werde. Davon könne hier keine Rede sein. Die Beklagte habe für ihre Anlagenvermittlung keine Provision erhalten, der für sie handelnde Zeuge M. nur eine ganz geringe Provision i.H.v. 500 EUR. Das bloß mittelbare Provisionsinteresse rechtfertige auch die Annahme eines eigenen Interesses des Vertreters nicht. Besonderes Vertrauen habe die Beklagte gleichfalls nicht in Anspruch genommen.

II.

[8] Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haftet die Beklagte der Klägerin wegen Verletzung eines zwischen den Parteien bestehenden Auskunftsvertrags. Das Berufungsgericht setzt zu Unrecht den - engeren - Tatbestand einer Eigenhaftung des Vertreters bei Schadensersatzansprüchen aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) mit den Voraussetzungen für den stillschweigenden Abschluss eines Auskunftsvertrags bei der Vermittlung einer Kapitalanlage gleich.

[9] 1. Zutreffend ist, dass die Eigenhaftung des Vertreters - über das angebahnte Rechtsverhältnis zwischen Vertretenem und Vertragsgegner hinaus - entweder die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens durch den Vertreter erfordert, insb. wenn er dem Verhandlungsgegner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Erklärungen bietet, oder ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse des Vertreters an dem Zustandekommen des Rechtsverhältnisses, so dass er wirtschaftlich betrachtet gleichsam in eigener Sache verhandelt (BGH v. 20.3.1995 - II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 170 = GmbHR 1995, 665 = AG 1995, 368; BGH, Urt. v. 29.1.1997 - VIII ZR 356/95, MDR 1997, 455 = NJW 1997, 1233; Urt. v. 24.5.2005 - IX ZR 114/01, BGHReport 2005, 1286 m. Anm. Gundlach = MDR 2005, 1313 = NJW-RR 2005, 1137; Senat, Urt. v. 27.10.2005 - III ZR 71/05, BGHReport 2006, 137 = NJW-RR 2006, 109; 110; dieses Urteil wäre vorliegend einschlägig, wenn es um eine persönliche Haftung des Zeugen M. ginge). Hieran dürfte es in der Tat im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten, die bei den Vertragsverhandlungen über die Festgeldanlage als Repräsentantin die kapitalsuchende B. Bank vertreten hat und als deren Erfüllungsgehilfe wiederum nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts der Zeuge M. anzusehen ist, fehlen. Darauf kommt es aber nicht an, weil das Berufungsgericht die außerdem zu prüfenden tatbestandlichen Voraussetzungen für den konkludenten Abschluss eines Auskunftsvertrags mit dem Anlagevermittler übermäßig verengt.

[10] 2. In der Rechtsprechung des BGH, insb. des jetzt zuständigen erkennenden Senats, ist anerkannt, dass im Rahmen der hier interessierenden Anlagevermittlung zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zumindest stillschweigend zustande kommt, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt (BGH v. 4.3.1987 - IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117, 118 f. = MDR 1987, 563; Senat, Urt. v. 13.5.1993 - III ZR 25/92, MDR 1993, 956 = NJW-RR 1993, 1114; v. 13.1.2000 - III ZR 62/99, MDR 2000, 405 = NJW-RR 2000, 998; v. 13.6.2002 - III ZR 166/01, BGHReport 2002, 729 m. Anm. Kälberer = MDR 2002, 1247 = NJW 2002, 2641, 2642; v. 11.9.2003 - III ZR 381/02, BGHReport 2003, 1400 = MDR 2003, 1428 = NJW-RR 2003, 1690; v. 12.5.2005 - III ZR 413/04, BGHReport 2005, 1089 = MDR 2005, 1120 = NJW 2005, 1120, 1121; zuletzt Urt. v. 19.10.2006 - III ZR 122/05, MDR 2007, 228 = BGHReport 2007, 9 = ZIP 2006, 2221 Rz. 9). Der Feststellung weiterer besonderer Merkmale unter den Gesamtumständen des Falles, wie sie das Berufungsgericht unter Hinweis auf das einen anderen Sachverhalt betreffende Senat, Urt. v. 16.6.1988 - III ZR 182/87 (BGHR BGB § 676 Auskunftsvertrag 1) verlangt, etwa eines eigenen wirtschaftlichen Interesses des Vermittlers an dem Geschäftsabschluss, bedarf es in dieser Fallgestaltung nicht. Ebenso wenig ist von entscheidender Bedeutung, ob der Vermittler den Kapitalsuchenden innerhalb seiner Rechtsbeziehungen mit dem Kapitalanleger vertritt und inwieweit jener seinerseits unter dem Gesichtspunkt des § 278 BGB für Fehler des Vermittlers einzustehen hat. Die dargestellte Senatsrechtsprechung trägt zum Schutz des Anlegers bereits typisierend der Interessenlage und den Besonderheiten bei der Vermittlung von Kapitalanlagen Rechnung. Diese werden geprägt durch die regelmäßig erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für den Kapitalanleger und einen zugleich auf seiner Seite ebenso regelmäßig bestehenden Aufklärungsbedarf, der in der großen Mehrzahl der Fälle hinreichend nur durch den Vermittler befriedigt werden kann, und zudem umgekehrt durch die von dem Vermittler im Allgemeinen zu erwartende und auch nach eigenem Verständnis bestehende Sachkunde (in diesem Sinne schon BGH v. 22.3.1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 106 f.).

[11] 3. Nach diesen Maßstäben ist an dem Zustandekommen eines konkludent geschlossenen Auskunftsvertrags zwischen der Klägerin und der Beklagten, vertreten durch den Zeugen M., auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht zu zweifeln. Die Klägerin hat mit ihrer Frage nach der Zugehörigkeit der B. Bank zum Einlagensicherungsfonds deutscher Banken erkennbar gerade die spezifischen Kenntnisse der Beklagten über Einzelheiten der angebotenen Kapitalanlage für sich nutzen wollen und ihre Anlageentscheidung hiervon abhängig gemacht. Dass die Beklagte zugleich als Repräsentantin der Bank firmierte und in dieser Eigenschaft bei den Vorverhandlungen über Art und Inhalt der Anlage die Bank vertreten konnte, ist für den stillschweigenden Abschluss eines gesonderten Auskunftsvertrags mit der Klägerin mangels einer eindeutigen Beschränkung auf die Abgabe von Erklärungen nur für die B. Bank ohne Belang (vgl. auch zur Anlageberatung durch den Repräsentanten einer Bank Senat, Urt. v. 23.9.1999 - III ZR 214/98, MDR 1999, 1518 = NJW-RR 2000, 51). Die von der Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang weiter erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer näheren Begründung wird gem. § 564 ZPO abgesehen.

[12] 4. Mit Recht hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass die sachlich unrichtigen und auf einer unvollständigen tatsächlichen Grundlage beruhenden Angaben des Zeugen M. über eine bei der B. Bank bestehende Einlagensicherung pflichtwidrig waren. Damit steht eine die Beklagte dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung fest.

[13] 5. Zur Höhe des Schadens, zum Ursachenzusammenhang sowie zu der Frage eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin hat das OLG keine abschließenden Feststellungen getroffen. Der Senat kann deswegen über die Klage nicht endgültig entscheiden. Aus diesem Grunde ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.

 

Fundstellen

DB 2007, 628

DStR 2008, 211

NJW 2007, 1362

BGHR 2007, 450

EBE/BGH 2007, 91

EWiR 2007, 429

WM 2007, 585

WuB 2007, 405

ZIP 2007, 1069

ZfIR 2007, 294

MDR 2007, 669

VersR 2007, 990

VuR 2007, 159

BKR 2007, 296

ZBB 2007, 142

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