Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des „Verwenders” von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Einführung dieser durch die andere Vertragspartei. AVB-Klausel im Architektenangebot

 

Leitsatz (amtlich)

Schließt eine Vertragspartei in der Regel Verträge unter Einbeziehung von bestimmten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab, ist sie auch dann Verwenderin, wenn ihr Vertragspartner diese Vertragsbedingungen im Hinblick darauf bereits in sein Angebot aufgenommen und damit formal in den Vertragsabschluss eingeführt hat (Bestätigung von BGH, Urt. v. 4.3.1997 - X ZR 141/95, MDR 1997, 913 = CR 1997, 470 m. Anm. Lehmann = NJW 1997, 2043).

 

Normenkette

AGBG § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 14.10.2004; Aktenzeichen 13 U 39/04)

LG Ellwangen (Entscheidung vom 14.01.2004; Aktenzeichen 5 O 246/02)

 

Nachgehend

OLG Dresden (Urteil vom 23.04.2014; Aktenzeichen 12 U 97/14)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 14.10.2004 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, verlangt von dem beklagten Architekten die Zahlung von Schadensersatz.

Die Klägerin beauftragte den Beklagten im April 1991 mit Planung und Bauleitung für Gebäude und Freianlagen eines Kindergartenneubaus. Vertragsbestandteil waren die Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Architekten-/Ingenieurleistungen (AVB). Diese enthielten u.a. folgende Klauseln:

"§ 9 Haftung und Verjährung

9.1 Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche des Auftraggebers richten sich nach den gesetzlichen Vorschriften, soweit nachfolgend nichts anderes vereinbart ist.

...

9.4 Die Ansprüche des Auftraggebers aus diesem Vertrag verjähren in fünf Jahren.

9.5 Die Verjährung beginnt mit der Erfüllung der letzten nach dem Vertrag zu erbringenden Leistung.

9.6 Ist dem Auftragnehmer die Objektüberwachung/Bauoberleitung (Leistungsphase 8) und/oder die örtliche Bauüberwachung (§ 57 HOAI) übertragen, beginnt die Verjährung entsprechend 9.5, spätestens jedoch mit dem Tag der Übergabe der Objekte an die nutzende Verwaltung. Beide Vertragsparteien können verlangen, dass die Übergabe nach gemeinsamer Verhandlung protokolliert wird. Für die nach der Übergabe noch zu erbringenden Restleistungen bei der Objektüberwachung, Bauoberleitung und/oder örtlichen Bauüberwachung (z.B. Prüfung von Nachzüglerrechnungen der bauausführenden Unternehmen, Kostenfeststellung) beginnt die Verjährung entsprechend 9.5.

9.7 Sind Leistungen der Leistungsphase 9 übertragen, beginnt die Verjährung für diese Leistungen entsprechend 9.5

...

9.9 Für Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung gelten die gesetzlichen Vorschriften über die Verjährung."

Das Bauvorhaben wurde 1993 fertig gestellt. Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, die vereinbarten Kostenermittlungen nicht ordnungsgemäß vorgenommen zu haben. Sie hat den Beklagten zunächst auf Auskunftserteilung über die Kostenentwicklung sowie auf Rückzahlung des auf die Teilleistungen Kostenschätzung, Kostenberechnung und Kostenanschlag entfallenden Honorars i.H.v. 3.080,77 EUR in Anspruch genommen. Zuletzt hat sie neben dieser Rückzahlung Schadensersatz i.H.v. 108.191,53 EUR wegen nicht erlangter Förderungsmittel verlangt. Das LG hat die auf diese Ansprüche gerichtete Klage durch Schlussurteil abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht bestimmt sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht nimmt an, ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin sei verjährt. Die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs bestimme sich nach § 638 BGB i.V.m. § 9 AVB. § 9.6 AVB sei nicht wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam. Die Klausel sei nicht unklar, so dass § 5 AGBG nicht anzuwenden sei. Auch § 9 AGBG stehe der Geltung der Klausel nicht entgegen. Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Bauwerksübergabe widerspreche nicht wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes. § 9 AVB sehe einen zulässig gestaffelten Verjährungsbeginn vor. Bei am Übergabetag (§ 9.6 AVB) bereits erbrachten Leistungen solle die Frist an diesem Tag anfangen, bei späteren nach der Erfüllung. Für die am Übergabetag noch nicht erfolgten Leistungen werde die Verjährung damit nicht verkürzt. Die Übergabe sei eine zulässige Teilabnahme der bereits fertig gestellten Leistungen. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin auf einen gegen ihn gerichteten Anspruch hinzuweisen. In dreißig Jahren verjährende Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung habe die Klägerin nicht geltend gemacht. Sie berufe sich nicht auf die Verletzung einer Nebenpflicht durch mangelnde begleitende Kostenkontrolle oder Unterlassung eines Hinweises, sondern vielmehr darauf, dass der Beklagte einer Hauptleistungspflicht nicht nachgekommen sei.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin ist verjährt.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der eingeklagte Anspruch nach §§ 635, 638 BGB einer Verjährungsfrist von fünf Jahren unterliegt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stützt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch auf nicht ordnungsgemäße Kostenermittlungen durch den Beklagten. Es kann offen bleiben, inwieweit eine Beratung des Bauherrn über Kosten des Bauvorhabens zu den Nebenpflichten eines Architekten gehört, bei deren Verletzung Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung in Betracht kommen (BGH, Urt. v. 23.1.1997 - VII ZR 171/95, MDR 1997, 636 = BauR 1997, 494 [496] = ZfBR 1997, 195). Da die Parteien eine Kostenermittlung als Eigenschaft des geschuldeten Werks vereinbart haben, richten sich Ansprüche wegen mangelhafter Leistung nach § 635 BGB (BGH, Urt. v. 11.11.2004 - VII ZR 128/03, BGHReport 2005, 490 = MDR 2005, 502 = BauR 2005, 400 [405] = ZfBR 2005, 178 = NZBau 2005, 158). Der geltend gemachte Schaden hängt unmittelbar mit einer fehlerhaften Kostenermittlung zusammen. Denn die Kostenermittlung sollte auch die Möglichkeit einer Finanzierung entsprechend der Disposition der Klägerin absichern. Ein Schaden, der daraus entsteht, dass eine mögliche höhere Förderung gescheitert ist, ist daher kein entfernter Mangelfolgeschaden, sondern wird von § 635 BGB erfasst. Die Anwendung einer längeren Verjährungsfrist ist auch nicht deshalb aus wertenden Gesichtspunkten geboten, weil eine späte Erkennbarkeit des Mangels zu besorgen wäre (BGH, Urt. v. 10.6.1976 - VII ZR 129/74, BGHZ 67, 1 [10]; Urt. v. 25.6.1991 - X ZR 4/90, BGHZ 115, 32 [36] = MDR 1991, 1036).

2. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Beginn der Verjährung des Anspruchs der Klägerin bestimme sich nach §§ 9.5 und 9.6 AVB.

Ob §§ 9.5 und 9.6 AVB einer Überprüfung nach dem AGBG nicht standhalten, wie die Revision meint, kann dahinstehen. Eine Anwendung dieses Gesetzes auf die streitigen Klauseln kommt nicht in Betracht.

Schließt eine Vertragspartei in der Regel Verträge unter Einbeziehung von bestimmten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab, ist sie auch dann Verwenderin, wenn ihr Vertragspartner diese Vertragsbedingungen im Hinblick darauf bereits in sein Angebot aufgenommen und damit formal in den Vertragsabschluss eingeführt hat (BGH, Urt. v. 4.3.1997 - X ZR 141/95, MDR 1997, 913 = CR 1997, 470 m. Anm. Lehmann = NJW 1997, 2043).

Nach den Feststellungen des LG, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, sind die AVB Klauseln, die speziell für Verträge mit kommunalen Auftraggebern entwickelt wurden und deren Interessen berücksichtigen (Bindhardt/Jagenburg, Die Haftung des Architekten, 8. Aufl., § 10 Rz. 41) und die vom Beklagten in der berechtigten Erwartung verwendet wurden, die Klägerin werde die sonst bei privaten Auftraggebern üblichen Bestimmungen nicht akzeptieren. Diese von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen beruhen auf unwidersprochen gebliebenem Vortrag des Beklagten, ihm sei bereits vor Vertragsschluss bekannt gewesen, dass auch die Klägerin einen gewissen Wert darauf legen würde, anlässlich des Abschlusses eines Architektenvertrages diejenigen Formulare zu verwenden, die üblicherweise für die Vergabe kommunaler Aufträge an Architekten und Planer verwendet werden.

Die Klägerin ist mithin Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine Inhaltskontrolle der Klauseln zu ihren Gunsten kommt nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 4.12.1986 - VII ZR 354/85, BGHZ 99, 160 [161] = MDR 1987, 397).

3. Danach sind etwaige Ansprüche der Klägerin wegen fehlender Kostenermittlungen verjährt. Das LG hat festgestellt, dass die Übergabe des Objekts an die nutzende Verwaltung i.S.v. § 9.6 AVB spätestens am 13.7.1993 erfolgt und es bis zum Eintritt der Verjährung mit Ablauf des 13.7.1998 zu einer Verjährungsunterbrechung oder -hemmung nicht gekommen ist. Auf diese Feststellungen hat das Berufungsgericht Bezug genommen. Dies greift die Revision nicht an. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1501370

BGHR 2006, 830

BauR 2006, 1012

BauR 2006, 882

EBE/BGH 2006, 130

NJW-RR 2006, 740

ZfIR 2006, 562

MDR 2006, 1034

MDR 2007, 873

MDR 2008, 241

VersR 2006, 1363

BTR 2006, 135

GuT 2006, 154

NJW-Spezial 2006, 311

NZBau 2006, 383

ZGS 2006, 204

FSt 2006, 914

LL 2006, 449

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