Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherungsgeschäft hinsichtlich Mietverhältnis. Selbstständiger Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsvertrag. Gerichtsstand für Ansprüche des Vermieters

 

Leitsatz (amtlich)

Vom Gerichtsstand des § 29a ZPO werden Ansprüche des Vermieters auf Grund eines selbstständigen Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsvertrages gegen einen Dritten, der nicht Partei eines Miet- oder Pachtvertrages über Räume, dessen Anbahnung oder Abwicklung ist, nicht erfasst.

 

Normenkette

ZPO § 29a

 

Verfahrensgang

Brandenburgisches OLG

 

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das LG Berlin bestimmt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagten vor dem LG Potsdam als Gesamtschuldner auf Zahlung einer Mietsicherheit in Anspruch, welche die K. GmbH & Co. ... KG auf Grund eines Mietvertrages über ein Gewerbegrundstück nebst Räumen zum Betrieb eines Kinos in E. schuldet. Die Beklagten haben die örtliche Zuständigkeit des LG Potsdam gerügt. Daraufhin hat der Kläger beantragt, durch das Brandenburgische OLG ein gemeinsam zuständiges Gericht zu bestimmen, vorzugsweise das LG Potsdam, weil der Schwerpunkt der Sache im Land Brandenburg liege. Das Brandenburgische OLG hat die Sache dem BGH vorgelegt. Es will den Antrag ablehnen, weil für den vorliegenden Rechtsstreit der gemeinsame ausschließliche Gerichtsstand nach § 29a Abs. 1 ZPO gegeben und damit das LG Frankfurt/Oder örtlich zuständig sei, sieht sich aber an einer solchen Entscheidung durch entgegenstehende Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts gehindert.

II. Die Vorlage ist zulässig. Der Beklagte zu 1) hat seinen allgemeinen Gerichtsstand im Land Brandenburg, die Beklagten zu 2) und 3) haben ihren allgemeinen Gerichtsstand im Land Berlin, so dass das vorlegende OLG anstelle des BGH zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen ist (§ 36 Abs. 2 ZPO, vgl. BGH, Beschl. v. 21.6.2000 - XII ARZ 6/00, MDR 2000, 1209 = NJW 2000, 3214) und das vorlegende OLG bezüglich der Frage, ob für Ansprüche des Vermieters gegen Dritte aus einem selbstständigen Gewähr- oder Garantievertrag, hilfsweise aus einer Bürgschaftsverpflichtung, wie sie der Kläger gegenüber den Beklagten geltend macht, der Gerichtsstand des § 29a Abs. 1 ZPO gilt, von der Rechtsprechung des BayObLG (BayObLG v. 13.9.1999 - 4Z AR 27/99, NJW-RR 2000, 1734) abweichen will.

III. 1. Der BGH hat die Frage der Anwendbarkeit des § 29a ZPO auf Sicherungsgeschäfte hinsichtlich des Mietverhältnisses bisher nicht entschieden. Die Frage ist umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass der besondere ausschließliche Gerichtsstand des § 29a ZPO nur für den miet- oder pachtvertraglich Haftenden, nicht aber für Dritte wie einen Bürgen oder Garanten gegeben sein soll (OLG München ZMR 1973, 84 f.; OLG Hamburg v. 19.9.1990 - 4 W 66/90, MDR 1991, 259 = ZMR 1991, 26; BayObLG v. 13.9.1999 - 4Z AR 27/99, NJW-RR 2000, 1734; NZM 2000, 784; OLG Karlsruhe v. 22.2.2002 - 15 AR 42/01, NJW-RR 2002, 1167; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 29a ZPO Rz. 6; Patzina in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2000, § 29a ZPO Rz. 9; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 29a ZPO Rz. 22; Müller, Das Grundeigentum 1984, S. 813 ff.; Fischer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. 2000, S. 1585 Rz. 11, S. 1586 Rz. 16; vgl. auch LG Frankenthal v. 27.2.1996 - 1 HKO 21/95, NJW-RR 1997, 334 [335]). Demgegenüber wird in der instanzgerichtlichen Judikatur auch die gegenteilige Auffassung vertreten (AG Tempelhof-Kreuzberg, Das Grundeigentum 1985, 419; LG Berlin, Das Grundeigentum 1988, 627; AG Neukölln MM 1994, 210; LG Hamburg, Beschl. v. 31.5.2002 - 316 O 74/02, WuM 2003, 38), der sich auch das vorlegende Gericht anschließen möchte.

2. Vom Gerichtsstand des § 29a ZPO werden Ansprüche des Vermieters auf Grund eines selbstständigen Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsvertrages gegen einen Dritten, der nicht Partei eines Miet- oder Pachtvertrages über Räume, dessen Anbahnung oder Abwicklung ist, nicht erfasst.

a) Dieses Ergebnis legt bereits der Wortlaut des § 29a Abs. 1 ZPO in der hier anzuwendenden Fassung v. 11.1.1993 (BGBl. I, 50) nahe. Dieser erfasst nur Streitigkeiten über Ansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen über Räume oder über das Bestehen solcher Verhältnisse, also Rechtsstreitigkeiten, an denen die Prozessbeteiligten als Parteien des Vertrages, seiner Anbahnung oder Abwicklung beteiligt sind. Demgegenüber handelt es sich bei Ansprüchen des Vermieters gegen einen Dritten aus einem selbstständigen Gewähr- oder Garantievertrag oder aus einer Bürgschaft nicht um Streitigkeiten aus einem Miet- oder Pachtverhältnis, seiner Anbahnung oder Abwicklung, sondern um Ansprüche aus einem selbstständigen Rechtsgeschäft. Sie unterscheiden sich damit von einem Schuldbeitritt (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl., vor § 414 BGB Rz. 2 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 29a ZPO Rz. 6), bei dem der Mitübernehmer neben der ursprünglichen Vertragspartei in ein bestehendes Schuldverhältnis eintritt und damit Partei des Miet- oder Pachtvertrages wird. Da § 29a ZPO auf dem Gedanken beruht, für die örtliche Zuständigkeit an die Belegenheit des Miet- oder Pachtobjekts anzuknüpfen und Rechtsstreitigkeiten aus Miet- oder Pachtverträgen über Räume bei einem ortsnahen Gericht zu konzentrieren, das mit den örtlichen Verhältnissen vertraut und zur Beurteilung etwaiger Einwendungen besonders in der Lage ist, kommt seine Anwendung auf gegenüber derartigen Verträgen selbstständige Rechtsgeschäfte wie selbstständige Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsverträge nicht in Betracht. Auch wenn im Rahmen von Streitigkeiten über selbstständige Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsverträgen etwa auf Grund von Einwendungen Fragen zu entscheiden sein können, die sich aus dem Miet- oder Pachtverhältnis ergeben, auf das sich der selbstständige Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsvertrag bezieht, so ist dies nicht typischerweise der Fall. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, die Parteien eines selbstständigen Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsvertrages denen eines Miet- oder Pachtverhältnisses über Räume gleichzustellen und sie auf dem Weg des von § 29a ZPO vorgesehenen ausschließlichen Gerichtsstands zu zwingen, den Rechtsstreit nicht am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners, sondern am Gerichtsstand der belegenen Sache zu führen.

b) Dem steht nicht entgegen, dass § 29a Abs. 1 ZPO in der bis zum 11.1.1993 geltenden Fassung für den Fall der Wohnraummiete der Gedanke eines "sozialen Mietprozessrechts" (BGH v. 11.1.1984 - VIII ARZ 6/83, BGHZ 89, 275 [281 f.] = MDR 1984, 573; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 29a ZPO Rz. 1) zu Grunde lag, der sicherstellen sollte, dass ein als sozial schwächer angesehener Mieter einen derartigen Prozess an seinem Wohnort führen kann (Fischer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. 2000, S. 1583). Durch die Neufassung des § 29a ZPO ist die Vorschrift zu einem allgemeinen Belegenheitsgerichtsstand in Miet- und Pachtsachen über Räume umgestaltet worden (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 29a ZPO Rz. 2). Aus den bereits dargelegten Gründen besteht daher keine Veranlassung, den Anwendungsbereich der Vorschrift in ihrer seit dem 11.1.1993 geltenden Fassung auf Streitigkeiten zu erstrecken, die Ansprüche aus selbstständigen Gewähr-, Garantie- oder Bürgschaftsverträgen betreffen.

IV. Es erscheint zweckmäßig, das LG Berlin als zuständiges Gericht zu bestimmen, da zwei der drei Schuldner dort ihren allgemeinen Gerichtsstand haben (§ 36 Abs. 3, §§ 12, 13 ZPO).

 

Fundstellen

BGHZ 2004, 220

NJW 2004, 1239

BGHR 2004, 621

EBE/BGH 2004, 5

NZM 2004, 299

WM 2004, 1942

ZAP 2004, 591

ZMR 2004, 337

ZfIR 2004, 795

MDR 2004, 769

WuM 2004, 296

GuT 2004, 103

MietRB 2004, 205

NJW-Spezial 2004, 6

ZBB 2004, 248

JWO-MietR 2004, 90

MK 2004, 75

ProzRB 2004, 113

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