Auch die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers umfasst (nur) diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Da eine Verkehrssicherungspflicht, die jede Schädigung ausschließt, nicht erreichbar ist, muss der Pflichtige nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen.

Vor diesem Hintergrund entschied der BGH[1], dass der private Waldbesitzer i. d. R. nicht für die Verletzung eines Spaziergängers durch einen herabstürzenden Ast haftet.

 
Praxis-Beispiel

Schaden durch Astbruch

Als die Klägerin bei warmem Wetter und leichtem Wind auf einem Forstwirtschaftsweg durch den Wald ging, brach von einer neben dem Weg stehenden Eiche ein langer Ast ab und traf sie am Hinterkopf mit der Folge einer schweren Hirnschädigung. Sie nahm die Waldbesitzerin und deren Angestellten, einen für den Bereich des Waldgrundstücks zuständigen Diplom-Forstwirt, auf Schadensersatz in Anspruch.

Doch der BGH hat eine Haftung der Beklagten verneint. Nach der im Einklang mit § 14 BWaldG erlassenen landesrechtlichen Vorschrift des § 25 LWaldG des Saarlandes sei das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken jedermann gestattet. Die Benutzung des Waldes geschehe jedoch auf eigene Gefahr. Dem Waldbesitzer, der das Betreten des Waldes dulden müsse, sollten dadurch keine besonderen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten erwachsen. Er hafte deshalb nicht für waldtypische Gefahren, sondern nur für solche Gefahren, die im Wald atypisch sind. Dazu zählen laut BGH insbesondere die Gefahren, die nicht durch die Natur bedingt sind. Die Gefahr eines Astabbruchs sei dagegen grundsätzlich eine waldtypische Gefahr. Sie werde nicht deshalb, weil ein geschulter Baumkontrolleur sie erkennen kann, zu einer im Wald atypischen Gefahr, für die der Waldbesitzer einzustehen hätte.

Umstürzen eines abgestorbenen Baumes

Auch durch das Umstürzen eines abgestorbenen Baumes verwirklicht sich eine waldtypische Gefahr, für die der Waldbesitzer nicht verantwortlich gemacht werden kann. Stellt ein Waldbesitzer zur Bewirtschaftung seiner Waldflächen einen Förster an, führt dies im Übrigen nicht dazu, dass ihm dadurch zusätzliche Verkehrssicherungspflichten erwachsen.[2]

Mit der waldtypischen Gefahr eines Ast- oder Stammbruches muss ein Waldbesucher nicht nur auf Wegen, die durch den Wald führen, sondern auch auf Wegen, die am Waldrand entlangführen, jederzeit rechnen.[3]

Loch im Waldweg

In gleicher Weise haftet der Waldbesitzer nicht für ein ca. 20 × 20 cm breites und 20 cm tiefes Loch im Waldweg, durch das der Sturz einer Radfahrerin verursacht wird. Auch hier handelt es sich um eine waldtypische Gefahr. Zudem scheide eine Pflichtverletzung hier schon deshalb aus, weil eine solche Gefahrenquelle mit einer "Selbstwarnung" versehen sei.[4]

Atypische Gefahren

Zu den nicht waldtypischen Gefahren zählen insbesondere vom Waldbesitzer selbst geschaffene Gefahren, mit denen auch ein vorsichtiger und aufmerksamer Waldbesucher nicht rechnen muss.[5] Beispielhaft zu nennen sind Abgrabungen, Schranken, Erholungseinrichtungen oder nicht gesicherte Holzstapel, ferner defekte Brücken, Stege und Geländer.[6]

So gehören nicht standsichere Geländerabsicherungen auf einem Wanderweg nicht zu den waldtypischen Gefahren.[7]

Kontrollpflicht

Es besteht keine Pflicht des Waldbesitzers, Bäume einer regelmäßigen Zustandskontrolle zu unterziehen und Vorsorge gegen etwa durch Windbruch oder Windfall drohende Gefahren zu treffen.[8] Diese Beschränkung der Verkehrssicherungspflicht ist auch für in der freien Landschaft stehende Bäume übertragbar, nicht hingegen auf an öffentlichen Straßen gelegene Waldbäume. Diese dürften weiterhin nach den hierzu von der Rechtsprechung[9] für Straßenbäume aufgestellten Grundsätzen zu kontrollieren sein.[10]

Im Falle eines Unfalls haften Verkehrssicherungspflichtige selbst bei walduntypischen Gefahren nur, wenn und soweit der Schaden auf einer unfallursächlichen und schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung beruht. Hierfür ist der Geschädigte darlegungs- und beweispflichtig, wobei ihm grundsätzlich keine Beweiserleichterung in der Art eines Anscheinsbeweises zugutekommt.[11]

[1] BGH, Urteil v. 2.10.2012, VI ZR 311/11, NJW 2013 S. 48; ferner LG Aachen, Urteil v. 25.10.2018, 12 O 170/18, juris; eingehend Gebhard, NuR 2015, S. 361.
[2] OLG Köln, Beschluss v. 30.6.2017, 7 U 72/17, juris; ferner LG Arnsberg, Urteil v. 1.6.2017, 4 O 453/15, juris.
[3] OLG Frankfurt, Beschluss v. 24.3.2014, 13 U 56/12, juris.
[4] OLG Frankfurt, Beschluss v. 30.10.2017, 13 U 111/17, VersR 2018 S. 503; ebenso OLG Köln, Beschluss v. 23.4.2019, 1 U 12/19, juris; eingehend Schneider, VersR 2018, S. 257.
[6] Duhme, NJW 2013, S. 17, 18 m. w. N.

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