Leitsatz (amtlich)

1. Für Pflichtverletzungen im Rahmen der Teilnahme einer Gemeinde am Privatrechtsverkehr (hier: Betrieb eines Premiumwanderwegs) haften nichtverbeamtete Beschäftige neben der Gemeinde persönlich als Gesamtschuldner auf der Grundlage der §§ 823 ff. BGB ohne das Verweisungsprivileg nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB.

2. Führt ein Wanderweg unmittelbar an der Abbruchkante eines Steinbruchs vorbei, ist diese durch geeignete Maßnahmen gegen Absturzgefahr zu sichern.

3. Wurden an von einem Wanderweg abliegenden gefährlichen Stellen Gitter, Zäune oder Geländer angebracht, müssen diese im Rahmen der normalen Nutzung standsicher sein.

4. Nicht standsichere Geländerabsicherungen gehören nicht zu den waldtypischen Gefahren.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 4 O 375/15)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 12.01.2017 (Aktenzeichen 4 O 375/15) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten zur Zahlung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung gemäß Ziffer 4. des Tenors der vorbezeichneten Entscheidung an die Klägerin verurteilt sind.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

III. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt nach dem tödlichen Absturz ihres Ehemannes auf einem so genannten Premiumwanderweg der erstbeklagten Gemeinde, dessen Instandhaltung in den Aufgabenbereich der Beklagten zu 2 und 3 als Gemeindeangestellte gehört, von den Beklagten samtverbindlich Ersatz materiellen und immateriellen Schadens.

Am 16.09.2012 gegen 12.30 Uhr stürzte der am1952 geborene Herr K. D. B., der Ehemann der Klägerin, auf dem Premiumwanderweg "DB" an der Rastplatz "XY" an einer Steilkante circa 8 bis 10 m kopfüber in die Tiefe und erlitt tödliche Verletzungen. Hinter der unmittelbar an dem Wanderweg gelegenen Rastplatz befindet sich wenige Meter entfernt die Steilkante eines ehemaligen Steinbruchs. Da die Steilkante auf Grund des Baumbewuchses nicht direkt ins Auge fällt, hatte die Beklagte zu 1 davor eine hölzerne Abgrenzung errichtet. Gegen den Beklagten zu 2 wurde durch Strafbefehl des Amtsgerichts Merzig vom 07.10.2013 (Aktenzeichen X), rechtskräftig seit 07.03.2014, wegen fahrlässiger Tötung eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 60 EUR, insgesamt also 5.400 EUR, verhängt und gegen die Beklagte zu 3 durch Strafbefehl des Amtsgerichts Merzig vom 07.10.2013 (Aktenzeichen X), rechtskräftig seit 25.11.2013, wegen fahrlässiger Tötung eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 45 EUR, insgesamt also 4.050 EUR.

Die Klägerin, die den Sturz selbst nicht gesehen hat, als Teil derselben Wandergruppe aber vor Ort und mit den Unfallfolgen unmittelbar konfrontiert worden war, erlitt eine akute Belastungsreaktion und akute Depressionen, die im weiteren Verlauf auch Schlafstörungen nach sich zogen. Für die Dauer von circa fünf Wochen war sie arbeitsunfähig erkrankt. Für Beerdigungskosten wandte die Klägerin 14.298,05 EUR auf. Seit Januar 2013 erhält die Klägerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Witwenrente in Höhe von 541,09 EUR. Mit Schreiben vom 07.09.2015 wurde der hinter den Beklagten stehende Haftpflichtversicherer, die VERSICHERUNG in K., unter Fristsetzung zum 23.09.2015 aufgefordert, einen bezifferten Entschädigungsbetrag von 55.950,01 EUR zu zahlen und mit Wirkung eines Feststellungsurteils die weiteren zukünftigen Ansprüche der Klägerin dem Grunde nach anzuerkennen. Der Haftpflichtversicherer lehnte für die Beklagten jegliche Haftung als unbegründet ab.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hätten gegen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen, indem sie nicht für die Sicherheit des Holzgeländers gesorgt hätten. Hierbei handele es sich um eine atypische Gefahr im Wald, die der Verkehrssicherungspflicht unterliege. Die Klägerin hat behauptet, der Unfall sei durch ein rückseitiges Anlehnen ihres Ehemannes an die Holzabsperrung geschehen, wodurch sich der obere Holm aus seiner Verankerung gelöst habe. Dieses Herauslösen des Holms sei ursächlich für den Sturz gewesen. Das Geländer sei nicht mehr standsicher gewesen, habe aber den fehlerhaften Eindruck von Sicherheit erweckt. Die Holzstämme seien durch langjährigen Pilzbefall morsch gewesen. Zudem habe das Geländer nicht die vorgeschriebene Höhe von 90 cm gehabt. Dieser Missstand sei der Beklagten zu 3, welche die Arbeiten an dem Wanderweg vor Ort ausgeführt habe, bekannt gewesen. Sie habe im März/April 2012 festgestellt, dass der Holzpfosten morsch gewesen sei. Sie habe die später im Rahmen des Sturzes gelöste Querverstrebung mit einem Nagel von außen (talseitig) an dem morschen Pfosten ...

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