Entscheidungsstichwort (Thema)

Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung eines Widerrufsvergleichs

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 22.04.2004; Aktenzeichen 10 O 274/02)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Saarbrücken vom 22.4.2004 - 10 O 274/02 aufgehoben.

2. Der Rechtspfleger wird angewiesen, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat den Beklagten auf Ausgleich einer Kontoüberziehung seines Girokontos in Anspruch genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.4.2003 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Beklagte zur Abgeltung der Klageforderung dazu verpflichtet hat, einen Betrag von 5.000 Euro zu zahlen. In Ziff. 3 des Vergleichs ist der Klägerin vorbehalten worden, den Vergleich durch schriftliche Erklärung ggü. dem Gericht bis spätestens 9.5.2003 zu widerrufen. Ein Widerruf ist nicht erfolgt.

Am 20.5.2003 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Klägerin eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichsprotokolls erteilt, die sodann einen Gerichtsvollzieher mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung beauftragt hat. Dieser hat die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen mit der Begründung abgelehnt, die Vollstreckungsklausel hätte durch den Rechtspfleger, nicht hingegen durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilt werden müssen. Hierauf hat die Klägerin beantragt, die Klausel nunmehr durch einen Rechtspfleger zu erteilen. Mit Beschluss vom 22.4.2004 hat die Rechtspflegerin den Antrag zurückgewiesen und hierzu die Auffassung vertreten, dass die vollstreckbare Ausfertigung nicht nach Maßgabe des § 726 Abs. 1 ZPO, sondern nach § 724 ZPO zu erteilen sei, da die betreibende Gläubigerin nicht selbst beweisen müsse, keinen Widerruf eingelegt zu haben. Auch seien die Vollstreckungsorgane nicht befugt, die Vornahme einer Vollstreckungshandlung wegen Überschreitung der funktionellen Zuständigkeit des die Klausel erteilenden Organs zu verweigern.

Hiergegen wendet sich die mit Schriftsatz vom 30.4.2004 eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin. Die Klägerin vertritt unter Bezugnahme auf eine Rechtsprechung des BAG die Auffassung, im Fall des Widerrufsvergleichs sei die Vollstreckungsklausel nicht vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sondern vom Rechtspfleger zu erteilen.

Die Klägerin beantragt, den Beschluss des LG Saarbrücken vom 22.4.2004 (LG Saarbrücken, Beschl. v. 22.4.2004 - 10 O 274/02) aufzuheben und den Rechtspfleger anzuweisen, der Klägerin eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs zu erteilen.

Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. A. Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO statthafte, in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende sofortige Beschwerde hat Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung des LG unterfällt die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung eines Widerrufsvergleichs dem Anwendungsbereich des § 726 ZPO.

a) Nach dieser Vorschrift hat der Rechtspfleger (§ 20 Ziff. 12 RpflG) die vollstreckbare Ausfertigung unter den dort genannten Beweisanforderungen dann zu erteilen, wenn die Vollstreckung nach ihrem Inhalt von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer anderen Tatsache als einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung abhängt. Damit erfasst § 726 ZPO alle Titel, deren Vollstreckbarkeit nach Maßgabe einer aufschiebenden Bedingung oder ungewissen Befristung vom Eintritt einer bestimmten Tatsache abhängt, die vom Gläubiger zu beweisen ist.

b) Der Widerrufsvergleich unterfällt dem Anwendungsbereich des § 726 ZPO, da der in einem Prozessvergleich aufgenommene Vorbehalt, den Vergleich bis zum Ablauf einer bestimmten Frist zu widerrufen, die Wirksamkeit des Vergleichs im Regelfall aufschiebend bedingt.

Wenngleich sich der Rechtscharakter der aufschiebenden Bedingung nicht unmittelbar aus dem Wortlaut erschließt, entspricht es im Zweifel der Interessenlage der Parteien, aus dem Vergleich bindende Rechtswirkungen erst dann entstehen zu lassen, wenn der Bestand des Vergleichs nach dem ungenutzten Ablauf der Widerrufsfrist feststeht (BGH v. 27.10.1983 - IX ZR 68/83, BGHZ 88, 364 [367] = MDR 1984, 226; BAG NJW 2004, 117; BVerwG NJW 1993, 2193; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 794 Rz. 10).

c) Zwar wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, § 726 ZPO sei nur dann anzuwenden, wenn die aufschiebende Bedingung lediglich die Vollstreckbarkeit des Titels, nicht hingegen seine Wirksamkeit als solche betrifft (OLG Braunschweig, Rpfleger 1972, 421). Dennoch überzeugt diese Differenzierung nicht, da der Wortlaut des § 726 ZPO nicht danach unterscheidet, ob die Wirksamkeit des Titels, des Anspruchs oder lediglich dessen Vollstreckbarkeit vom Eintritt einer Tatsache abhängig ist (BAG NJW 2004, 702; OLG München v. 25.11.1983 - 2 WF 1128/83, Rpfleger 1984, 106).

d) Entgegen der Auffassung des LG obliegt es i.S.d. § 726 ZPO dem Gläubiger, nicht hingegen dem Schuldner, den Beweis für die Nichtausübu...

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