Leitsatz (amtlich)

1. Der Anbau von zwei Balkonen mit Glasdach und Außentreppe an ein bestehendes Gebäude stellt keine erhebliche Umbaumaßnahme iSd. § 650i Abs. 1 BGB und begründet daher keinen Verbraucherbauvertrag.

2. Zur Länge der angemessenen Frist i.S.d. § 650f Abs. 5 S. 1 BGB einer gegenüber einem Verbraucher geltend gemachten Bauhandwerkersicherung.

 

Normenkette

BGB § 650f Abs. 5-6, § 650i Abs. 1; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Urteil vom 05.05.2020; Aktenzeichen 8 O 155/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Heilbronn vom 5.5.2020 (Az. 8 O 155/20) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 23.04.2020 (Anlage B 3) unwirksam ist.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Vertragsbedingungen und die geschuldete Leistung sowie die dafür geschuldete Vergütung aus der Auftragsbestätigung vom 26.2.2019 / 1.3.2019 (Teil der Anlage K 1) ergeben.

3. Die Beklagte wird verurteilt, eine von ihr zerstörte Platte auf der Terrasse des Gebäudes X, 74074 Heilbronn auszutauschen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.954,46 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 23.7.2020 zu bezahlen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten und der zugesprochenen vorgerichtlichen Anwaltskosten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus den Urteilen zu vollstreckenden Betrags, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Hinsichtlich des Anspruchs auf Austausch der beschädigten Platte kann die Beklagte die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500 EUR, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: bis 35.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Erstellung einer Balkon- und Treppenanlage an ihrem Wohngebäude. Nachdem die Beklagte den Vertrag gem. § 650f Abs. 5 BGB kündigte, macht die Klägerin die Unwirksamkeit dieser Kündigung geltend.

A. Das Landgericht hat die damals in erster Linie auf Verurteilung zur Erfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrags gerichtete Klage abgewiesen.

Die Beklagte habe den Bauvertrag wirksam am 23.4.2020 gem. § 650f BGB gekündigt. Diese Vorschrift sei trotz der vereinbarten Geltung der VOB/B anwendbar. Die Voraussetzungen des § 650f Abs. 5 BGB seien erfüllt: Dem Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit stehe es nicht entgegen, wenn der Werklohnanspruch einredebehaftet sei. Die gesetzte Frist von 11 Kalendertagen, darunter 5 Bankarbeitstage, sei auch unter Berücksichtigung der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie angemessen gewesen. Der Gesetzgeber habe eine Frist von 7 bis 10 Tagen für angemessen gehalten. Weder das Sicherungsverlangen noch die Länge der gesetzten Frist verstießen gegen § 242 BGB. Durch die Kündigung sei der Vertrag beendet.

Der Unternehmer müsse danach weder die Leistung fertigstellen noch Mängel beseitigen. Es könne daher offenbleiben, ob die von der Klägerin geltend gemachten Mängel vorhanden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen.

B. Die Klägerin wendet sich gegen die Abweisung der Klage.

Das vom LG angenommene Kündigungsrecht bestehe gem. § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB schon deshalb nicht, weil die Klägerin Verbraucherin sei und damit ein Verbraucherbauvertrag iSd. § 650i BGB geschlossen worden sei. Die Klägerin habe bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass der streitgegenständliche Anbau an ihr Wohnhaus angrenze. Dieses Vorbringen sei jedenfalls nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen.

Das Sicherungsverlangen sei auch nicht ausreichend konkretisiert gewesen: Der Unternehmer habe zwingend die Höhe zu benennen. Die Beklagte habe im Schreiben Anlage B2 eine Bauhandwerkersicherung "über die restlichen 60% des Auftrags" gefordert. Dies sei nicht ausreichend konkret. Zudem sei die Frist von 11 Kalendertagen einschließlich des Osterwochenendes - insbesondere unter Berücksichtigung der Pandemie-Situation - unangemessen kurz gewesen. Der April 2020 sei einer der Krisenpunkte der Corona-Epidemie gewesen. Die Einstufung der Krankheit als Pandemie durch die WHO sei erst einen knappen Monat zuvor erfolgt. Die Fall- und Todeszahlen seien global stark angestiegen. Unternehmen hätten gerade erst damit begonnen gehabt, Hygienekonzepte zu entwickeln, Home-Office-Erweiterungen zu regeln und die sich anbahnenden Verwerfungen im Geschäftsgang anzugehen. Dies habe nicht nur zu Effizienzverlusten im Tagesgeschäft geführt, sondern auch zu erheblichen Zeitaufwänden bei Mitarbeitern, die sich mit geänderten rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen hätte...

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