Leitsatz (amtlich)

1. Die auf der primär Kinder ansprechenden Verpackung eines Früchtequarks angebrachte Werbeaussage "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" erweckt die Vorstellung, das Produkt weise bei (nahezu) täglichem Konsum ähnliche Vorteile für die Ernährung auf wie Milch, ohne dass sein (nahezu) täglicher Konsum aufgrund einer von Milch deutlich abweichenden Zusammensetzung mit Nachteilen, insbesondere für Kinder, verbunden ist.

2. Die unter 1. wiedergegebene Werbeaussage stellt weder eine nährwert- noch eine gesundheitsbezogene Angabe i.S.d. Legaldefinitionen in Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 und 5 der Verordnung Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln (VNGA) und auch keinen Verweis i.S.v. Art. 10 Abs. 3 VNGA dar und fällt daher nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung.

3. Die unter 1. wiedergegeben Werbeaussage stellt aber eine Irreführung i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 2, Satz 2 Nr. 1 LFBG dar, wenn der damit beworbene Früchtequark auf dieselbe Menge bezogen gegenüber (Voll-)Milch ein Mehrfaches an Zucker enthält.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 31.05.2010; Aktenzeichen 34 O 19/10 KfH)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.02.2015; Aktenzeichen I ZR 36/11)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Vorsitzenden der 34. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 31.5.2010 (34 O 19/10 KfH) abgeändert:

(1) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens Euro 250.000,00; Ordnungshaft höchstens 2 Jahre, Ordnungshaft zu vollstrecken an ihren Vorstandsmitgliedern) zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd Monsterbacke Früchtequark mit "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" zu bewerben oder bewerben zu lassen.

(2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 208,65 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.3.2010 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen des Unterlassungsausspruchs durch Sicherheitsleistung i.H.v. 25.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 25.000 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG gegen die Beklagte, eine Herstellerin von Milcherzeugnissen, einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend. Sie beanstandet, dass die Beklagte für einen von ihr unter der Bezeichnung "Monsterbacke" in Verkaufseinheiten von sechs 50g-Bechern vertriebenen Früchtequark (i. F:: Produkt) den auf der Oberseite der Verpackung des Sechsergebindes aufgebrachten Werbeslogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" verwendet.

Das Sechsergebinde bietet in schwarz-weiß (in Wirklichkeit ist die Verpackung bunt gestaltet, s. K 1 nach Bl. 9) von oben folgenden Anblick:

Im Original folgt hier wohl eine Abbildung, die hier nicht widergegeben wurde.

Ferner begehrt sie Zahlung einer Abmahnkostenpauschale von 195 EUR zzgl. 7 % Mehrwertsteuer nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit.

1. Für die Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens in erster Instanz einschließlich der Antragstellung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

2. Das LG hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu.

Ein solcher ergebe sich nicht aus §§ 8 Abs. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG, da weder ein Verstoß gegen das Irreführungsgebot aus § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFBG noch gegen die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20.12.2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln (i. F.: VNGA, häufig und auch vom LG als Health-Claims-Verordnung - HCVO - bezeichnet) vorliege.

Der beanstandete Slogan stelle darauf ab, dass das beworbene Produkt dieselbe Bedeutung für die tägliche Ernährung, insbesondere für die von Kindern habe, wie ein Glas Milch. Zwar sei davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit dem Konsum von Milch allgemein Vorteile für die Ernährung, insbesondere für die von Kindern, verbinde. Darin würde sich jedoch die Assoziation des interessierten Durchschnittsverbrauchers, der diese Information aufgrund der konkreten Aufmachung der Verpackung und situationsbedingt allenfalls flüchtig wahrnehme, im Wesentlichen erschöpfen. Er wisse nämlich, dass Fr...

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