Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsabänderung (Vereinfachtes Verfahren)

 

Verfahrensgang

AG Tettnang (Aktenzeichen 7 FH 299/00)

 

Tenor

Das Verfahren wird gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG ausgesetzt. Die Akten sind dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Prüfung der Frage vorzulegen, ob § 2 des Unterhaltstitelanpassungsgesetzes (Art. 4 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 02.11.2000) insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 GG) verstößt, als er eine Anpassung von Unterhaltstiteln, die bisher auf nicht mehr als 100 % des Regelbetrages abzüglich des hälftigen Kindergeldes lauteten, im Vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO ermöglicht.

 

Tatbestand

I.

Der am 14.07.1987 geborene Antragsteller ist das Kind des Antragsgegners. Dieser ist nach einem vor dem 01.01.2001 errichteten Titel, nämlich einem im Vereinfachten Verfahren gemäß Art. 5 § 3 KindUG ergangenen Abänderungsbeschluss des AG – Familiengericht – Tettnang vom 22.03.2000, 7 FH 320/99, verpflichtet, an den Antragsteller 100 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind zu bezahlen. Der Antragsteller nimmt ihn im vereinfachten Verfahren gemäß §§ 2 Unterhaltstitelanpassungsgesetz (im folgenden: UTAG; Art. 4 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2.11.2000), 655 ZPO auf Abänderung der vollstreckbaren Urkunde ab 1.1.2001 dahin in Anspruch, dass der Kindergeldabzug entfällt, soweit der geschuldete Betrag zuzüglich des hälftigen Kindergeldes 135 % des Regelbetrages nicht übersteigt. Das Familiengericht (Rechtspfleger) hat nach Anhörung des Antragsgegners (die nach Wiederanruf des Verfahrens, dessen Ruhen zwischenzeitlich angeordnet worden war, erfolgt ist) durch den angefochtenen Beschluss antragsgemäß entschieden. Der Antragsgegner hat sich in erster Instanz zum Abänderungsantrag nicht geäußert. Gegen die ihm am 25.08.2001 zugestellte Entscheidung hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt, die am Montag, 10.09.2001 beim Familiengericht einging (Bl. 13 Rs.). Er beruft sich auf fehlende Leistungsfähigkeit für den verlangten Erhöhungsbetrag infolge Arbeitslosigkeit und Umschulung. Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Ob sie auch sonst zulässig ist, hängt ebenso wie ihre Begründetheit von der in der Beschlußformel zur Prüfung des Bundesverfassungsgerichts gestellten Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 2 UTAG ab. § 655 Abs. 5 ZPO i.V.m. Abs. 3 der Vorschrift (auf beide verweist § 2 UTAG) sieht vor, dass mit der sofortigen Beschwerde nur Einwendungen gegen die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens, gegen den Zeitpunkt der Abänderung, gegen die Berechnung des Betrags der anzurechnenden Kindergeldleistungen sowie die Unrichtigkeit der Kostenfestsetzung geltend gemacht werden und im Falle eines (nach Meinung des Beschwerdeführers) sofortigen Anerkenntnisses die Kostengrundentscheidung angegriffen werden können. Die nachstehend dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken des Senats stellen auch die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens in Frage. Wenn es zutrifft, dass § 2 UTAG in der vorliegenden Fallkonstellation verfassungswidrig ist, dürfte eine Neufestsetzung entsprechend dieser Vorschrift nicht im vereinfachten Verfahren erfolgen.

Das Familiengericht hat die Akten zu Recht nicht dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Die Durchführung des vereinfachten Verfahrens beim Familiengericht ist dem Rechtspfleger übertragen. Dieser ist, selbst wenn er die anzuwendenden Vorschriften für verfassungswidrig hält, nicht zur Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG befugt (vgl. BVerfGE 61, 75, 77; FamRZ 2000, 731, 732 f.). Die Frage stellt sich erstmals für den erkennenden Senat, der sie in Bezug auf § 2 UTAG bejaht, soweit nach dieser Vorschrift auch Kindesunterhaltstitel einer Anpassung im Vereinfachten Verfahren nach § 655 ZPO unterliegen, die auf keinen höheren Betrag als 100 % des (bei Errichtung des Titels maßgeblichen oder des jeweiligen) Regelbetrages abzüglich des hälftigen Kindergeldes lauten.

III.

Die Vorfrage, ob § 1612 b Abs. 5 BGB in der Fassung des Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 2.11.2000 gegen das Grundgesetz verstößt (auch dann müßte eine Beschwerde ungeachtet einfach-rechtlicher Beschränkungen der Beschwerdebefugnis als zulässig behandelt werden, weil Verfahrensrecht, das seiner Zwecksetzung nach zur Durchsetzung einer verfassungswidrigen materiellen Rechtslage dient, ebenfalls gegen die Verfassung verstößt und insoweit nicht verbindlich sein kann), hat der Senat im Anschluss an OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 1096, bereits verneint (Beschluß vom 19.10.2001, 16 UF 105/01, zur Veröffentlichung bestimmt). Auf die Gründe ist hier nur insoweit einzugehen, als sie zum Verständnis der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 2 UTAG in der vorliegenden Fa...

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