Leitsatz (amtlich)

Das Gebot des § 23 NbG LSA, wonach eine Einfriedung an der Grenze ortsüblich zu sein hat, gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht für jegliche Einfriedungen, sondern nur für solche, die auf Verlangen des Nachbarn und infolge einer Einfriedungspflicht nach § 22 Abs. 1 NbG LSA errichtet werden, weil sie zum Schutz des Grundstücks des Nachbarn vor nicht unwesentlichen Beeinträchtigungen erforderlich sind, die von dem Grundstück des Einfriedigungspflichtigen ausgehen (vgl. auch Senatsurteile vom 12. Oktober 2015, 12 U 165/14, juris, und vom 5. Oktober 2020, 12 U 23/19, unveröffentlicht).

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 25.03.2022; Aktenzeichen 3 O 34/22)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten gegen das am 25. März 2022 verkündete Einzelrichterurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle (Saale) wird das Urteil teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verpflichtet, die von ihm an der Grenze zu dem Grundstück der Kläger errichtete Bretterwand auf eine Höhe von 2,00 m, gemessen von der Oberkante des gewachsenen Bodens des Grundstücks der Kläger zurückzubauen.

2. Es wird festgestellt, dass die Kläger berechtigt sind, an der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Beklagten eine Hecke unter Unterschreitung der Grenzabstände gemäß § 34 des Nachbarschaftsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zu errichten, wenn die Hecke den Bretterzaun nicht mehr als 10 cm überragt.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313a ZPO abgesehen.

B. Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Der bisher nicht rechtskräftig beschiedene Antrag der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, den streitgegenständlichen Zaun mit Leitplanken zu verkleiden, ist nicht begründet.

a. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Verkleidung des Zaunes aus § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 22, 23, 28 NbG LSA.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht daraus, dass der Zaun gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 NbG LSA nicht ortsüblich wäre. Denn diese Vorschrift ist nur dann anwendbar, wenn ein Grundstück auf Verlangen des Nachbarn einzufrieden ist. Dies ist hier nicht der Fall.

aa. Zwar ist streitig, ob § 23 NbG LSA für jegliche Einfriedungen gilt, also nicht nur für solche, die der Verpflichtete nach § 22 NbG LSA errichten muss. In der Literatur wird dazu vertreten, dass § 23 NbG LSA für Einfriedungen auf eigenen Entschluss hin und ohne Einfriedungspflicht nicht gilt (z. B. Pardey/Stollenwerk, Nachbarrecht in Sachsen-Anhalt, 2. Aufl., Nr. 4 zu § 23 NbG LSA; Stollenwerk, Praxis der Kommunalverwaltung, Landesausgabe Sachsen-Anhalt, Kommentar zum Nachbarschaftsgesetz Sachsen-Anhalt, Stand April 2019, Nr. 4 zu § 23 NbG LSA; Fruhner/Weber, Nachbarrecht für Sachsen-Anhalt, Nr. 5 zu § 23 NbG LSA; Albrecht, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2018, Rdn. 23 zu Art. 124 EGBGB). Diese Auffassung beruft sich auf die Entstehungsgeschichte des Nachbarschaftsgesetzes, nach der die Regierungsvorlage zunächst eine umfassendere Verpflichtung des Grundstückseigentümers vorgesehen habe, der Landtag dann aber davon im Ergebnis abgesehen habe (z. B. Fruhner/Weber, a.a.O.).

Nach einer anderen Meinung regelt § 23 NbG LSA dagegen selbständig die für Einfriedungen geltenden Anforderungen, also auch für diejenigen Einfriedungen, die freiwillig errichtet werden (z. B. Dehner, Nachbarrecht, Stand Februar 2019, B § 9 III. 4; Eidam, Nachbarrecht in Sachsen-Anhalt; Reich, Nachbarschaftsgesetz Sachsen-Anhalt, 2. Aufl., Rn. 1 zu § 23 NbG LSA). Diese Ansicht wird damit begründet, dass der Wortlaut der Vorschrift des § 23 NbG LSA "in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise" dafür spreche, dass stets auf Beseitigung einer nicht den Vorschriften des Gesetzes entsprechenden Einzäunung geklagt werden könne (z. B. Dehner, a.a.O.). Die im Gesetzgebungsverfahren vorgenommene Umstellung der §§ 22 und 23 NbG LSA sei nicht mit einer inhaltlichen Einschränkung des § 23 NbG LSA verbunden gewesen. Dies bestätige auch eine systematische Betrachtung der Vorschriften. Denn einerseits stelle § 22 NbG LSA bei dem Zitat von § 23 NbG LSA nur auf die Beschaffenheit, also auf einen Teilaspekt der Rechtsfolgen des § 23 NbG LSA ab. Andererseits nenne das Gesetz den § 22 NbG LSA in den §§ 25 und 26 NbG LSA ausdrücklich, wenn es darauf Bezug nehmen möchte. Dies erlaube den Umkehrschluss, dass man im Übrigen von § 22 NbG LSA freigestellt sei (z. B. Reich, a.a.O.).

Der Senat folgt dagegen der zuerst genannten Ansicht (Senatsurteil vom 12. Oktober 2015, 12 U 165/14, juris; zuletzt Senatsurteil vom 5. Oktober 2020, 12 U 23/19, unveröffentlicht). Das Wortlautargument der Gegenauffassung überzeugt den Senat nicht. Die Formulierung "wird ein Grundstück eingefriedet, so muss die Einfriedung orts...

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