Leitsatz (amtlich)

Ist für die Höhe der Enteignungsentschädigung ein Verkehrswert des betroffenen Grundstücks nicht zu ermitteln (hier: bei einer Verkehrsfläche), so ist eine nach § 287 ZPO vorgenommene gerichtliche Schätzung nicht zu beanstanden, welcher eine Addition aus dem wegen fehlender selbständiger Bebaubarkeit um 80 % geminderten Bodenwert und dem wegen fehlender ausschließlicher privater Nutzung und fehlender wirtschaftlicher Verwertbarkeit um 75 % geminderten Sachwert der Erschließungsanlagen zugrunde liegt.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 16.11.2018; Aktenzeichen 3 O 53/16 (Baul))

 

Tenor

Die Berufung des Antragstellers gegen das am 16. November 2018 verkündete Urteil der Kammer für Baulandsachen des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Das Urteil des Senats und das o.a. Urteil des Landgerichts sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Antragsteller wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Kostenwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.208,75 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Höhe der Entschädigung für ein 70 m2 großes, bereits seit 1994 als Verkehrsfläche genutztes und weiterhin so zu nutzendes Grundstück.

Das im Urteilseingang bezeichnete Grundstück (künftig: das Grundstück) wurde im Jahre 1994 ganz überwiegend mit einem Betonpflaster-Gehweg bebaut sowie auf ca. 10 m2 mit einer Straßenfläche, welche zu einer Nebenstraße (Sch. Straße) in einem neu erschlossenen Wohngebiet gehört. Die Straßenfläche ist durch einen Bordstein vom Gehweg getrennt und noch nicht fertiggestellt, sie besteht aus einer mit Asphalt befestigten Unterschicht, eine Deckschicht fehlt. Im Straßenverlauf befindet sich ein Regenwasserkanaleinlauf, der ursprünglich im Eigentum des W. Wasser- und Abwasserzweckverbandes stand und von diesem bis heute genutzt wird; ein Leitungsrecht ist im Grundbuch nicht eingetragen. Die Verkehrsfläche ist öffentlich gewidmet und wird als Straße bzw. Gehweg genutzt.

Das Grundstück sowie weitere Grundstücke wurden nach der Insolvenz des Erschließungsträgers und nach Herrenloserklärung der Grundstücke auf die Antragsgegnerin als Trägerin der Straßenbaulast übertragen. Auf dem Grundstück lastete eine in Abteilung III des Grundbuchs eingetragene Grundschuld. Die Gläubigerin der Grundschuld beantragte die Zwangsversteigerung. Im Zwangsversteigerungsverfahren wurde ein Verkehrswertgutachten des Sachverständigen St. G. vom 01.09.2011 eingeholt; dieser ordnete dem hier streitgegenständlichen Grundstück einen Erinnerungswert in Höhe von 1,00 EUR zu (vgl. Gutachten S. 21 f.) und führte dazu aus, dass einem Bodenwert von 357,00 EUR voraussichtliche Kosten für die Fertigstellung der Straße in Höhe von 3.193,00 EUR gegenüberstünden. Im Termin der Zwangsversteigerung wurde die Antragsgegnerin, welche nach dem Beschluss des Gemeinderates lediglich den geschätzten Verkehrswert anbieten durfte, vom Antragsteller überboten. Der Antragsteller erwarb das Grundstück und weitere sechs als Straßenverkehrsflächen genutzte Grundstücke mit einer Gesamtgröße von 3.260 m2 mit dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Haldensleben vom 28.03.2012 (Az.: 9 K 52/11) auf sein Gebot i.H.v. 4.000,00 EUR.

Unmittelbar nach seiner Eintragung als Eigentümer der erworbenen Grundstücke im Grundbuch wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin zwecks einer Entscheidung über den (Rück-)Erwerb dieser Grundstücke. Mit seinem Schreiben vom 28.04.2015 bot der Antragsteller der Antragsgegnerin die Flächen zum Kauf für insgesamt 130.000,00 EUR oder zum Tausch gegen ein erschlossenes und vermessenes Bauland mit einem Bodenrichtwert von 51,00 EUR/m2 an. Die Antragsgegnerin bot dem Antragsteller für sämtliche sieben Grundstücke einen Kaufpreis von 5.078,00 EUR an. Zu einer Einigung kam es nicht.

Der Antragsteller hatte im Wege der Zwangsversteigerung ein weiteres als Verkehrsfläche genutztes Grundstück im selben Baugebiet durch Zuschlagsbeschluss vom 23.04.2012 für 280,00 EUR erworben. Er hatte seine Enteignung sowie die Festsetzung einer Entschädigung in Höhe von ca. 15.000,00 EUR beantragt. Die Enteignungsbehörde hatte ihm mit Beschluss vom 17.07.2013 das Eigentum zugunsten der hiesigen Antragsgegnerin entzogen und die Entschädigung auf 260,85 EUR festgesetzt. In dem auf seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung eingeleiteten Rechtsstreit, welcher aus Sicht des hiesigen Antragstellers als Musterverfahren geführt werden sollte (künftig: Vorprozess), setzte die Kammer für Baulandsachen des Landgerichts Halle die Entschädigung mit seinem Urteil vom 03.11.2014 (3 O 250/13 (Baul)) in teilweiser Abänderung des Enteignungsbeschlusses auf 1.525,00 EUR fest. Die Entscheidung beruhte im Wesentlich...

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