Leitsatz (amtlich)

1. a) § 61 Abs. 1 Satz 1 VVG enthält eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG.

b) § 61 Abs. 1 Satz 1 VVG begründet keine eigenständige Pflicht des Versicherungsvermittlers zur Prüfung, ob die Voraussetzungen vorliegen, die eine Befragung oder Beratung des Versicherungsnehmers erforderlich machen.

c) Für Versicherungsmakler ist die Anwendung der Vorschrift des § 61 Abs. 1 Satz 1 VVG auf Fernabsatzverträge nicht in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 6 VVG ausgeschlossen.

2. a) § 11 Abs. 1 VersVermV enthält eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG.

b) Eine Mitteilung i.S.d. § 11 Abs. 1 VersVermV liegt bei der bloßen Abrufbarkeit der entsprechenden Angaben von einer Internetseite nicht vor. Es ist Aufgabe des Versicherungsvermittlers, dem Versicherungsnehmer die Belehrung in Textform zu übermitteln, und nicht Aufgabe des Versicherungsnehmers, sich diese Belehrung selbst zu verschaffen.

 

Normenkette

UWG § 3a; VVG § 61 Abs. 1 S. 1; VersVermV § 11 Abs. 1; BGB § 126b

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 37 O 15268/15)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 13. Juli 2016 dahin abgeändert, dass es insgesamt lautet wie folgt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen,

geschäftlich handelnd als Versicherungsmaklerin bei Besuch ihrer Website

a) bei Aufruf von Versicherungsinformationen, insbesondere in der Kategorie "Versicherungen", dem Websitebesucher lediglich zum Abruf über einen Button "Erstinformation" folgende Informationen zu geben:

- Firma mit betrieblicher Anschrift; und/oder

- Eigenschaft als Versicherungsmaklerin; und/oder

- Anschrift, Telefonnummer sowie Internetadresse der gemeinsamen Stelle im Sinne des § 11a Abs. 1 Gewerbeordnung und die Registernummer, unter der die Beklagte im Register eingetragen ist; und/oder

- die direkten oder indirekten Beteiligungen von über 10%, die die Beklagte an den Stimmrechten oder am Kapital eines Versicherungsunternehmens besitzt; und/oder

- die Versicherungsunternehmen oder Mutterunternehmen eines Versicherungsunternehmens, die eine direkte oder indirekte Beteiligung von über 10% an den Stimmrechten oder am Kapital der Beklagten besitzen, und/oder

- die Anschrift der Schlichtungsstelle, die bei Streitigkeiten zwischen Versicherungsvermittlern oder Versicherungsberatern und Versicherungsnehmern angerufen werden kann;

wie nachfolgend eingeblendet:

((Abbildung))

[Hervorhebung [Einkreisen] nicht Teil der konkreten Verletzungsform],

wobei nach Anklicken des Buttons "Erstinformation" folgendes PDF öffentlich zugänglich gemacht wird:

((Abbildung))

und/oder

b) bei Durchführung eines Versicherungsvergleichs vor Abgabe einer Vertragserklärung durch den Websitebesucher davon abzusehen, den Websitebesucher individuell an dessen Person und Situation ausgerichtet nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, wenn dies wie in den Anlagen K 19, K 21 oder K 24 wiedergegeben geschieht;

und/oder

c) bei Durchführung eines Versicherungsvergleichs vor Abgabe einer Vertragserklärung durch den Websitebesucher von einer Beratung des Websitebesuchers abzusehen, wenn dies wie in den Anlagen K 19, K 21 oder K 24 wiedergegeben geschieht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug werden gegeneinander aufgehoben.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

II. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 2/7 und die Beklagte 5/7 zu tragen.

IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts in der Fassung gemäß Ziffer I. sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer 1. a) des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,- EUR sowie aus den Ziffern 1. b) und 1. c) des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung jeweils in Höhe von 15.000,- EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann jede Partei die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

A. Der Kläger vertritt die selbständigen Versicherungs- und Bausparkaufleute in Deutschland. Er hat etwa 10.000 Direkt- und 30.000 Organmitglieder. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört es, den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen.

Die Beklagte ist Teil der C. -Unternehmensgruppe und bietet Dienstleistungen im Internet an, über die Versicherungen verglichen und Versicherungsverträge abgeschlossen werden können; bei Abschluss von Versicherungsverträgen über ihr Internetportal zahlen die jeweiligen Versicherungsunternehmen für ...

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