Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 42 O 10057/20)

 

Tenor

I. Das Verfahren wird gemäß § 148 ZPO ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV zur Auslegung von

  • Art. 3 Absatz 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (nachfolgend kurz: InfoSoc-Richtlinie)

folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  • Ist Art. 3 Absatz 1 der InfoSoc-Richtlinie so auszulegen, dass er einer nationalen Regelung oder Gepflogenheit entgegensteht, die als öffentliche Wiedergabe eine Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, wie der Fernsehapparate in den Gästezimmern oder dem Fitnessraums eines Hotels, dann ansieht, wenn zwar zusätzlich das Sendesignal an die Einrichtungen über eine hoteleigene Kabelverteilanlage weitergeleitet wird, diese Kabelweitersendung aber aufgrund einer vom Hotel erworbenen Lizenz rechtmäßig erfolgt?
 

Gründe

Die Parteien streiten beim vorlegenden Gericht darüber, ob die Beklagte als Betreiberin eines Hotels das Recht der öffentlichen Widergabe an einer Folge der Fernsehserie "W. ...", das die Klägerin behauptet innezuhaben, dadurch verletzt hat, dass diese aufgrund der Ausstrahlung in einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender auf von der Beklagten zur Verfügung gestellten Fernsehgeräten in einem Hotelzimmer und einem Fitnessraum zu sehen war, an die die Beklagte das Sendesignal über eine hoteleigene Kabelverteilanlage aufgrund einer erworbenen Lizenz rechtmäßig weitergeleitet hat.

1. Rechtlicher Rahmen

a. Unionsrecht

Die Erwägungsgründe der InfoSoc-Richtlinie lauten auszugsweise wie folgt:

(23) Mit dieser Richtlinie sollte das für die öffentliche Wiedergabe geltende Urheberrecht weiter harmonisiert werden. Dieses Recht sollte im weiten Sinne verstanden werden, nämlich dahin gehend, dass es jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist. Dieses Recht sollte jegliche entsprechende drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks, einschließlich der Rundfunkübertragung, umfassen. Dieses Recht sollte für keine weiteren Handlungen gelten.

(27) Die bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, stellt selbst keine Wiedergabe im Sinne dieser Richtlinie dar.

(32) Die Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Wiedergabe sind in dieser Richtlinie erschöpfend aufgeführt. Einige Ausnahmen oder Beschränkungen gelten, soweit dies angemessen erscheint, nur für das Vervielfältigungsrecht. Diese Liste trägt den unterschiedlichen Rechtstraditionen in den Mitgliedstaaten Rechnung und soll gleichzeitig die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts sichern. Die Mitgliedstaaten sollten diese Ausnahmen und Beschränkungen in kohärenter Weise anwenden; dies wird bei der zukünftigen Überprüfung der Umsetzungsvorschriften besonders berücksichtigt werden.

Die InfoSoc-Richtlinie bestimmt unter anderem:

Artikel 1

Anwendungsbereich

(1) Gegenstand dieser Richtlinie ist der rechtliche Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte im Rahmen des Binnenmarkts, insbesondere in Bezug auf die Informationsgesellschaft.

Artikel 3

Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände

(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

b. Nationales Recht

§ 15 des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) lautet auszugsweise:

(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere

1. das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),

2. das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),

3. das Senderecht (§ 20),

4. das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),

5. das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).

§ 20 UrhG lautet:

Das Senderecht ist das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

§ 20b UrhG bestimmt unter anderem:

(1) Das Recht, ein gesendetes Werk im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig weiterübertragenen Programms weiterzusenden (Weitersendung), kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. Dies gilt nicht für

1. Rechte an einem Werk, das ausschließlich im Internet ges...

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