Leitsatz (amtlich)

Nach In-Kraft-Treten des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes sind auch für das Berufungsverfahren die Terminsreisekosten eines am Wohn- oder Geschäftssitz der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts (abgesehen vom Fall des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO) regelmäßig erstattungsfähig.

 

Normenkette

ZPO § 78 Abs. 1, § 91 Abs. 2 S. 1 2. Halbs

 

Verfahrensgang

OLG München (Aktenzeichen 21 U 3717/02)

LG München II (Aktenzeichen 4 O 405/02)

 

Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München II vom 27.11.2002 wird dahin abgeändert, dass die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 3.942,34 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 31.10.2002 festgesetzt werden.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 344 Euro.

 

Gründe

Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die in vollem Umfang erstattungsberechtigte Klägerin gegen die Absetzung der Terminsreisekosten ihres B.er Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren. Die Klägerin beruft sich auf die Erweiterung der Postulationsfähigkeit und den Beschluss des BGH vom 16.10.2002 (VIII Z B 30/02, RPfleger 2003, 78). Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Terminsreisekosten notwendige Kosten der Rechtsverfolgung darstellten. Die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten wäre teuer gewesen.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Nach der zum 1.8.2002 in Kraft getretenen Änderung des § 78 Abs. 1 ZPO durch das OLG-Vertretungsänderungsgesetz vom 23.7.2002 (BGBl. I, 2850) sind auch für das Berufungsverfahren Terminsreisekosten eines am Wohn- oder Geschäftssitz der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts (abgesehen vom Fall des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO) regelmäßig erstattungsfähig.

An seiner gegenteiligen Auffassung, nach der hier ein Erstattungsanspruch (in Höhe ersparter Reisekosten der Partei) nur bei einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Grundlage des Rechtsstreits ggü. der ersten Instanz in Betracht kam (vgl. OLG München v. 4.10.1991 – 11 W 2075/91, JurBüro 1992, 176 = MDR 1992, 308), hält der Senat nicht mehr fest.

Allerdings hat der Senat zur Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsreisekosten bisher allgemein die Auffassung vertreten, dass solche Reisen nach § 91 Abs. 2 S. 1 2. Halbs. ZPO auch nach Aufhebung des Lokalisierungsprinzips durch die zum 1.1.2000 in Kraft getretene Änderung des § 78 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind, sondern nur dann, wenn die Zuziehung des auswärtigen Prozessbevollmächtigten wegen besonderer Umstände im Einzelfall ausnahmsweise notwendig gewesen ist oder soweit dadurch ansonsten notwendige Reisekosten der Partei zur Information eines am Ort des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten erspart worden sind (vgl. OLG München v. 6.4.2001 – 11 W 946/01, AnwBl. 2001, 577 = MDR 2001, 773; OLG München v. 26.10.2001 – 11 W 2571/01, AnwBl. 2002, 437 = MDR 2002, 174; vgl. auch OLG Nürnberg v. 21.5.2002 – 3 W 1503/02, MDR 2002, 1091).

Demgegenüber hat der BGH in dem schon zitierten Beschluss vom 16.10.2002 auf eine Rechtsbeschwerde hin entschieden, dass die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig i.S.d. § 91 Abs. 2 S. 1 2. Halbs. ZPO anzusehen ist und deshalb die Terminsreisekosten dieses Prozessbevollmächtigten i.d.R. zu erstatten sind.

Dieser Auffassung schließt sich der Senat im Hinblick auf den mit der Einführung der Rechtsbeschwerde verfolgten Zweck der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung an (vgl. § 574 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO).

Allerdings erscheint es nicht zwingend, aus der Erweiterung der Postulationsfähigkeit eine Erweiterung der Kostenerstattung herzuleiten. Es wird auch der Vorschrift des § 91 Abs. 1 S. 1 2. Halbs. ZPO eine Bedeutung beigemessen, die diese Vorschrift bisher nicht hatte und nach dem systematischen Zusammenhang der Erstattungsregelungen in § 91 ZPO auch nicht haben sollte. Eine Regelung, nach der Reisekosten nur ausnahmsweise zu erstatten waren, wird jetzt für die Auffassung herangezogen, die eine Erstattungsfähigkeit des am Sitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts im Regelfall bejaht. Schließlich wurde auch nach der Rechtslage vor dem 1.1.2000 nicht regelmäßig eine Informationsreise zugebilligt. Hier wurde nach der bisherigen Rechtsprechung – zutreffend – die Partei in wesentlich weiterem Umfang auf dem Weg der schriftlichen Information verwiesen, als dies vom BGH erwogen wird.

Diese Einwände ändern aber nichts daran, dass der Senat der Entscheidung des BGH aus den genannten Gründen grundsätzlich folgt. Nur sind die Ausnahmen weiter zu fassen.

Im vorliegenden Zusammenhang mit den Terminsreisekosten des zweitinstanzlichen Rechtsanwalts beruht die Ausweitung der Postulationsfähigkeit auf dem Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den OLG vom 23.7.2002, das zum 1.8.2002 in Kraf...

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