Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachbarrecht: Nachbarrechtlicher Beseitigungsanspruch bei Überwuchs

 

Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich kann der Nachbar bei Versäumung der im Nachbarrechtsgesetz NW geregelten Fristen (im Folgenden: NachbG NW-Fristen) nur noch ausnahmsweise Beseitigung von Gehölzen dann verlangen, wenn eine akute Störung anders als durch das Fällen der Bäume nicht zu beseitigen ist. Denn andernfalls würde ein erfolgreiches Begehren zu einer Aushöhlung der Fristen des NachbG NW und zu deren nicht gerechtfertigter Umgehung führen.

Ob ausnahmsweise dennoch ein Beseitigungsanspruch gegeben ist, richtet sich nach den insoweit anwendbaren nachbarrechtlichen Sonderregelungen der §§ 906, 910 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 1004 BGB.

 

Normenkette

BGB §§ 906, 910 Abs. 1 S. 2, § 1004

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 13.07.2010; Aktenzeichen 27 O 239/09)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 13.7.2010 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des LG Köln - 27 O 239/09 - wird unter entsprechender Klageabweisung der weitergehenden Klage mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass die Beklagten weiter verurteilt werden, neben dem Überhang der Zweige der auf der Grundstücksgrenze stehenden Eberesche (Sorbus aucuparia) über die Dachrinne des Wohnhauses der Kläger bis zur Grundstücksgrenze auch überhängende Strauchbewachsungen zur Hausseite der Kläger hin bis zur Grundstücksgrenze zurückzuschneiden.

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13.7.2010 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des LG Köln - 27 O 239/09 - dahin abgeändert, dass die Klage der Kläger auch insoweit abgewiesen wird, als sie gem. Ziff. 1 des Urteilstenors verurteilt worden sind, die beiden in einem Abstand von 0,65 m und 1,10 m zur Grundstücksgrenze mit den Klägern auf ihrem Grundstück gepflanzten Fichten und das Wurzelwerk dieser Bäume, soweit es in den Boden des Grundstücks der Kläger eingedrungen ist, zu beseitigen und gem. Ziff. 3 die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, an die Kläger als Gesamtgläubiger 89,64 EUR vorgerichtliche Rechtsanwalts- und Schlichtungskosten nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.3.2008 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird unter Abweisung der Widerklage zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Kläger zu 9/10 und die Beklagten zu 1/10 als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache nur zu einem ganz geringen Teil Erfolg. Dagegen ist die zulässige Berufung der Beklagten weitgehend begründet.

I. Die Berufung der Kläger ist nur insoweit begründet, als sie einen Rückschnitt überhängender Strauchbewachsung bis zu ihrer Grundstücksgrenze verlangen. Dagegen können die Kläger bezüglich der 2 Blaufichten keinen Beseitigungsanspruch und bezüglich der übrigen streitgegenständlichen Gehölze keinen Rückschnittanspruch über die Grundstücksgrenze hinaus geltend machen.

Beseitigungsansprüche aus dem NachbG NW nach § 41 NachbG NW scheitern daran, dass die Fristen des § 47 NachbG NW verstrichen sind.

Auch die Rückschnittansprüche können sie nicht aus § 41 NachbGNW herleiten. Dies gilt unabhängig von der Frage der "Verfristung". Denn in § 41 NachbG NW ist nur ein Beseitigungsanspruch bei Nichteinhaltung der Pflanzabstände geregelt.

Deliktische Ansprüche der Kläger gegen die Beklagten aus §§ 823 ff. BGB scheitern an einem Verschulden der Beklagten.

Die Kläger können ihre Ansprüche auch nicht aus dem Nachbarrecht gem. §§ 906 Abs. 2 S. 2, 1004 Abs. 1 BGB herleiten. In entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen zwar grundsätzlich nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche, wenn den Klägern vor dem schädigenden Ereignis dem Grunde nach ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zustand. Hiervon kann aber im Ergebnis nicht ausgegangen werden.

Die Rechte und Pflichten von Nachbarn richten sich insbesondere nach den Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und den Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder. Hierauf ist allerdings der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben anzuwenden. Daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefasst werden (BGH NZM 2005, 318).

Eine solche Pflicht kann allerdings wegen der bestehenden nachbarrechtlichen Sonderregeln nur ausnahmsweise und nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint (BGH, a.a.O.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Grundsätzlich können die Kläger wegen der Versäumung der im Nachbarrechtsgesetz NW geregelten Fristen (im Folgenden: NachbG NW-Fristen) keine Beseitigung mehr verlangen. Der Ausnahmefall, dass eine akute Störung anders als durch das Fällen der Bäume nicht zu beseitigen ist, liegt nicht vor. Denn das Begehren würde vorliegend zu einer Aushö...

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