Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der kostenlosen Abgabe einer ausschließlich durch Anzeigen finanzierten Tageszeitung „20 Minuten Köln”

 

Normenkette

VWG § 1; GG Art. 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 84 O 3/00)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 25.06.2007; Aktenzeichen 1 BvR 1293/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.7.2000 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Köln – 84 O 3/00 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 35.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine bekannte K. er Verlagsgesellschaft, die die Tageszeitungen „Kölner Stadt-Anzeiger”, „Kölnische Rundschau” und „EXPRESS” herausgibt. Der „EXPRESS” ist ebenso wie die vom Axel Springer Verlag herausgegebene Tageszeitung „BILD” eine sog. Boulevardzeitung, die im Raum K./B. mit einer täglichen Auflage von rund 253.000 Exemplaren erscheint. Im selben Erscheinungsgebiet hat die „BILD-Zeitung” eine tägliche Auflage von 85.000 Exemplaren. Bei der Beklagten handelt es sich um die deutsche Tochtergesellschaft des größten norwegischen Medienkonzerns, der u.a. auch anzeigenfinanzierte Tageszeitungen verlegt, die unentgeltlich an den Endverbraucher verteilt werden. Auch die Beklagte bedient sich dieses Vertriebskonzepts. Erstmals ab dem 13.12.1999 ließ sie eine solche anzeigenfinanzierte, für den Leser unentgeltliche Tageszeitung mit redaktionellen Teil namens „20 Minuten Köln” in K. verteilen. Die Startauflage dieser von Montag bis Freitag erscheinenden Zeitung betrug 150.000 Exemplare pro Tag. Nach Vorstellung der Beklagten soll sie nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft unentgeltlich abgegeben werden. Ihr redaktioneller Teil macht etwa 60 bis 65 % ihres Inhalts aus. Er umfasst lokale Nachrichten und insbesondere Informationen aus Politik, Kultur und Sport. Wegen der weiteren Einzelheiten der konkreten Ausgestaltung und des Inhalts der von der Beklagten vertriebenen Tageszeitung „20 Minuten Köln” wird auf die im erstinstanzlichen Klageantrag der Klägerin wiedergegebene Fotokopie des am 13.12.1999 erschienenen Exemplars sowie beispielhaft auf die mit der Klageschrift als Anlagen K 2 bis K 4 zu den Akten gereichten Originalausgaben verwiesen.

Die ausschließlich durch Anzeigen finanzierte Zeitung wird seit ihrem erstmaligen Erscheinen in allen K. er Straßenbahnen- und U-Bahn-Stationen in dort eingerichteten Zeitungsboxen ausgelegt und von Mitarbeitern der Beklagten an belebten Stellen im K. er Stadtgebiet verteilt. Dies geschieht ununterbrochen seit dem 13.2.2000. Zuvor war der Vertrieb zeitweise unterbrochen, nachdem der Axel Springer Verlag am 17.12.1999 eine zwischenzeitlich durch Urteil des Kammergerichts vom 11.2.2000 (KG v. 11.2.2000 – 5 U 103/00, KGR 2000, 197 ff.) aufgehobene einstweilige Verfügung des LG Berlin erwirkt hatte, mit der der Beklagten verboten worden war, unter dem Titel „20 Minuten Köln” und/oder einem anderen Titel ein montags bis freitags erscheinendes Presseerzeugnis mit einem Inhalt wie und in der Aufmachung einer Tageszeitung mit überregionalen und regionalen Nachrichten unentgeltlich zu verbreiten und/oder abgeben zu lassen. Im Übrigen hatten sowohl die Antragstellerin als auch der Axel Springer Verlag die Gratisverteilung von „20 Minuten Köln” zum Anlass genommen, ihrerseits Tageszeitungen mit redaktionellem Inhalt im K. er Stadtgebiet kostenlos zur Verteilung zu bringen. Diese Tageszeitungen mit den Titeln „Kölner Morgen” und „Köln Extra” erscheinen auch heute noch.

Die Klägerin, die unstreitig selbst einen bedeutenden, jenseits der 50 %-Grenze liegenden Teil ihrer Einnahmen nicht aus Verkaufserlösen, sondern aus dem Anzeigengeschäft erzielt, hat wie schon in dem diesem Rechtsstreit vorauslaufenden einstweiligen Verfügungsverfahren 84 O 94/99 LG Köln (LG Köln, 84 O 94/99) = 6 U 40/00 OLG Köln (OLG Köln v. 9.6.2000 – 6 U 40/00, OLGR Köln 2000, 469) die Auffassung vertreten, die kostenlose Abgabe einer ausschließlich durch Anzeigenwerbung finanzierten Tageszeitung verstoße auf der Basis der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 15.2.1996 – I ZR 1/94, MDR 1996, 1030 = GRUR 1996, 778 = WRP 1996, 889 – Stumme Verkäufer) grundsätzlich gegen § 1 UWG. Solange die Beklagte nicht dartue und ggf. beweise, dass die Gratisverteilung von (Tages-) Zeitungen eine relevante Marktstörung i.S.d. § 1 UWG nicht zur Folge habe, sei die kostenlose Abgabe anzeigenfinanzierter Tageszeitungen zu unterlassen. Im Übrigen berge eine solche kostenfreie Verteilung von Tageszeitungen immer die Gefahr von Verkaufs- und Anzeigenrückgängen...

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