Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Nichtabführung von AN-Sozialversicherungsanteilen

 

Leitsatz (amtlich)

Auch ein intern nur beschränkt entscheidungsbefugter Geschäftsführer haftet grundsätzlich nach § 823 Abs. 2 BGB, § 266a StGB.

Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung, dass der mit Vollstreckungsbecheid titulierte Anspruch auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruht. Der Klage steht jedenfalls bis zum Ablauf der dreißigjährigen Verjährungsfrist des bestehenden Titels eine Verjährungseinrede nicht entgegen.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 19.02.2009; Aktenzeichen 16 O 452/07)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 19.2.2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Aktenzeichen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten bei dem AG O 11 IN 153/06 lautet.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren der Beklagten (11 IN 153/06 AG O) festgestellte Forderung der Klägerin gegen die Beklagte wegen nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile zu den Sozialversicherungsbeiträgen auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht, sowie die Zahlung ihr vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.023,16 EUR.

Die Beklagte war ab etwa 1985 Geschäftsführerin der Firma A. mit Sitz in B.. Das Unternehmen, das die Nachfolgefirma der zuvor in Konkurs gegangenen Gesellschaft des Vaters der Beklagten war, besteht nicht mehr; ein Konkursantrag wurde am 8.12.1995 durch das AG O mangels Masse abgewiesen.

Die Firma A. führte in der Zeit vom 1.7.1995 bis zum 31.8.1995 die Arbeitnehmerbeiträge zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen ihrer damaligen Arbeitnehmer i.H.v. insgesamt 19.090,76 EUR nicht an die Klägerin ab. Die Beklagte wurde sodann wegen des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen an die Technikerkrankenkasse strafrechtlich verurteilt; im Rahmen dieses Strafverfahrens hat die Beklagte über ihren damaligen Verteidiger in ihrer Einlassung vom 20.12.1996 (Bl. 61 - 63 d.A.) ihre Verantwortlichkeit für die Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung eingeräumt.

Am 21.5.1997 unterzeichnete die Beklagte ein "Unwiderrufliches Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB" (Bl. 246 d.A.) über eine Forderung der Klägerin i.H.v. 51.408,56 DM zzgl. Kosten und Zinsen seit dem 1.12.1995.

Mit rechtskräftigem Vollstreckungsbescheid des AG N vom 24.3.2000 (Bl. 84 d.A.) wurde die Beklagte zur Zahlung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung für den Zeitraum Juli bis November 1995 i.H.v. 51.408,56 DM zzgl. Zinsen und Mahnkosten verurteilt.

Nachdem am 8.11.2006 über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, meldete die Klägerin u.a. die für Juli bis November 1995 noch ausstehenden Arbeitnehmeranteile der Gesamtsozialversicherungsbeiträge nebst Zinsen und Rechtsverfolgungskosten unter dem Gesichtspunkt einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB zur Insolvenztabelle an (Bl. 8 - 9 d.A.). Die Forderung wurde i.H.v. 30.617,61 EUR zur Insolvenztabelle festgestellt (Bl. 10 d.A.), die Beklagte widersprach jedoch dem Vorliegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass es sich bei der von dem Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu Aktenzeichen 11 IN 153/07 des AG O festgestellten und von der Beklagten mit Widerspruch gem. §§ 175 Abs. 2 und 178 InsO bestrittenen Forderung der Klägerin in Höhe eines Teilbetrages von 19.090,76 EUR um eine solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB des Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung handelt,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.023,16 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie habe die Funktion einer Geschäftsführerin nur formal-rechtlich auf Veranlassung ihres Vaters, der die alleinige Entscheidungskompetenz gehabt habe, ausgeübt. Tatsächlich habe sie nur die Position einer Buchhalterin der GmbH bekleidet und weder eine Einflussnahmemöglichkeit auf die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft noch die Kompetenz zur Verfügung über finanzielle Mittel der Gesellschaft gehabt. Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge sei eine Zahlung wegen Zahlungsausfällen von Kunden und dadurch fehlender Zahlungsmittel nicht möglic...

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