Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß § 17 Abs. 1 StromGVV sind Einwendungen gegen Rechnungen und Abschlagszahlungen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur berechtigt, soweit nach Nr. 1 die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder nach Nr. 2 lit. a der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und nach Nr. 2 lit. b der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt und solange durch die Nachprüfung eine ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts nicht festgestellt ist.

2. Hat sich der Stromverbrauch in einem Privat- und Zweipersonenhaushalt (EFH) gegenüber dem Vorjahr in den Abrechnungszeitraum versiebenfacht, was den Stromversorger zum Austausch des Stromzählers veranlasst hat, und ist eine zeitnahe Überprüfung des Stromzählers nach erfolgten Beanstandungen des Kunden nicht erfolgt, so können die Einwendungen des Kunden auch dann nicht von vornherein als nicht erfolgversprechend angesehen werden, wenn der Stromversorger unter Bezugnahme auf den Prüfschein einer Staatlich anerkannten Prüfstelle für Messgeräte und Elektrizität in Essen dargelegt, dass die Messabweichungen des Geräts innerhalb der Verkehrsfehlergrenze liegen, die Anforderungen der inneren Beschaffenheitsprüfung erfüllt seinen und das Messgerät insgesamt die Befundprüfung bestanden habe, in dem Prüfschein allerdings vermerkt ist, dass das Messgerät im geschäftlichen Verkehr nicht mehr verwendet werden darf, der Kunde für seine Behauptung, dass ein solch hoher Energieverbrauch bei der vorhandenen elektrischen Installation nicht möglich und der Hauptstromzähler defekt gewesen sei, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens anbietet.

3. Ein Stromverbrauch bei einem Zweipersonenhaushalt in einem Einfamilienhaus von jährlich 33.639 kwh ist derart ungewöhnlich, dass es weiterer tatrichterlicher Aufklärung bedarf.

 

Normenkette

StromGVV § 17 Abs. 1 Nrn. 1, 2 Buchst. a, b; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 21.05.2014; Aktenzeichen 15 O 109/14)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 15. Zivilkammer des LG Koblenz - Einzelrichter - vom 21.5.2014 teilweise dahingehend abgeändert, dass dem Beklagten zur Rechtsvereidigung für das erstinstanzliche Verfahren in vollem Umfange Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung unter Beiordnung von Rechtsanwalt R.,..., bewilligt wird.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung für im Rahmen der Grundversorgung in den Jahren 2010 und 2011 erbrachte Stromlieferungen nebst Verzugszinsen sowie Erstattung von Mahn- und Inkassokosten nebst Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen in Anspruch.

Der Beklagte hat gegen die Forderung eingewandt, dass der angebliche Energieverbrauch nicht nachvollziehbar sei und auf einem Defekt der Messeinrichtung beruhe. Des Weiteren hat er bezüglich der Stromlieferungen aus dem Jahre 2010 die Einrede der Verjährung erhoben.

Das LG hat dem Beklagten mit Beschluss vom 21.5.2014, dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt am 26.5.2014 (GA 50) zur Rechtsverteidigung gegen die Klageforderung teilweise Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt, soweit er sich gegen Zins-, Mahn- und Inkassoforderungen wendet. Im Übrigen hat es den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Beklagte mit am 10.6.2014 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Entgegen der Auffassung des LG können die Erfolgsaussichten für die Rechtsverteidigung des Beklagten, der von Beruf Elektriker ist, gegen die Klageforderung nicht von vornherein verneint werden. Gemäß § 17 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundsatzverordnung - StromGVV) vom 26.10.2006 (BGBl. I, 2391) sind Einwendungen gegen Rechnungen und Abschlagszahlungen gegenüber dem Grundversorger zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur berechtigt, soweit nach Nr. 1 die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers besteht oder nach Nr. 2a) der in einer Rechnung angegebene Verbrauch ohne ersichtlichen Grund mehr als doppelt so hoch wie der vergleichbare Verbrauch im vorherigen Abrechnungszeitraum ist und nach Nr. 2b) der Kunde eine Nachprüfung der Messeinrichtung verlangt und solange durch die Nachprüfung eine ordnungsgemäße Funktion des Messgeräts nicht festgestellt ist.

Diese Voraussetzungen liegen vor.

In der Rechnung vom 15.2.2011 ist unter der Übersicht "Vorjahresvergleich" für die Zeit vom 14.6.2008 bis 24....

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