Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht des Vermieters zur Nachtzeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die winterliche Streu- und Räumpflicht des Vermieters ist regelmäßig auf den Zeitraum zwischen dem Einsetzen des allgemeinen Verkehrs am Morgen und dessen Ende in den Abendstunden beschränkt. Wer sich außerhalb dieser Zeiten bewegt, darf eine Verkehrssicherung grundsätzlich nicht erwarten.

2. Nur wenn der Vermieter es zu vertreten hat, dass auf seinem Gelände zur Nachtzeit vertragsgemäß erheblicher Publikumsverkehr stattfindet, muss er auch für dessen Sicherheit sorgen.

 

Normenkette

BGB §§ 253, 328, 535, 823, 847

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 12 O 57/07)

 

Tenor

In dem Rechtsstreit ... ist beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

 

Gründe

I. Das Rechtsmittel hat keine Erfolgsaussicht (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Dieserhalb ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:

1. Die Klägerin war als Mitarbeiterin des Deutschen Wetterdienstes in einem Gebäude tätig, das der Beklagte vermietet hat. Nach den mietvertraglichen Bestimmungen trifft ihn die Verkehrssicherungspflicht und dabei insbesondere der Winterdienst.

Als die Klägerin das Gebäude am frühen Morgen des 30.12.2005 nach Ende ihrer Arbeitsschicht verließ, kam sie -ihrem Vorbringen nach auf dem unteren Absatz der Außentreppe, der mit einer geriffelten Gummimatte belegt war glättebedingt zu Fall und zog sich Verletzungen zu. Sie wirft dem Beklagten vor, dass an der Unfallstelle trotz nächtlichen Schneefalls nicht gestreut war und die Rillenführung der Gummimatte in Treppenrichtung statt quer dazu verlief. Ihr Verlangen, den Beklagten zu einer Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen und dessen weitergehende Ersatzpflicht festzustellen, hat das LG abgewiesen.

2. Diese Entscheidung greift die Klägerin nunmehr in Erneuerung ihres Begehrens mit der Berufung an. Damit vermag sie indessen nicht durchzudringen. Das LG hat die Situation - ausgehend von dem erstinstanzlichen Tatsachenvortrag und der erstinstanzlichen Beweissituation, die sich einer Korrektur im Berufungsverfahren entziehen und damit auch für den Senat bindend sind (§§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO) - zutreffend beurteilt.

I. Möglicher Anknüpfungspunkt für eine Inanspruchnahme des Beklagten ist die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Daraus können sich sowohl -wegen einer Drittschutzwirkung der Rechtsbeziehung zwischen dem Deutschen Wetterdienst und dem Beklagten- vertragliche als auch deliktische Ansprüche für die Klägerin ergeben. Indessen ist eine entsprechende Pflichtverletzung des Beklagten nicht feststellbar.

II. Die Klägerin hebt in diesem Zusammenhang zunächst auf den Umstand ab, dass der über Nacht gefallene Schnee nicht beseitigt worden sei, bevor sie aus dem Gebäude kam, und dass sich zudem Eis gebildet habe, das weder entfernt noch abgestumpft worden sei. Insofern mag in der Tat ein verkehrsgefährlicher Zustand bestanden haben. Das hat der Beklagte jedoch nicht zu verantworten, weil ihm Sicherungsmaßnahmen, mit denen dem Schadenseintritt zu begegnen war, nicht abverlangt werden konnten.

Unstreitig ereignete sich der Unfall deutlich vor 7.00 Uhr. Die Klägerin terminiert ihn auf 6.10 Uhr, der Beklagte sogar schon auf vor 5.30 Uhr. Zu dieser frühen Stunde brauchte der Beklagte einen gefahrlosen Zuweg zu dem von ihm vermieteten Gebäude nicht zu gewährleisten. Anders wäre es allenfalls dann gewesen, wenn die Gefahrenlage, die sich auftat, schon am Vorabend vorhanden oder jedenfalls ganz konkret absehbar gewesen wäre. Dafür ist aber weder etwas behauptet noch sonst etwas ersichtlich. Vielmehr ging es allein darum, sich einer Situation zu stellen, die sich über Nacht ergeben hatte.

Es ist anerkannt, dass das Gebot, Verkehrsflächen sicher zu halten, unter dem Vorbehalt des Zumutbaren steht (BGHZ 31, 73, 75; BGHZ 112, 74, 75 f.; BGH NJW 1975, 444). Deshalb beschränkt sich die winterliche Streu- und Räumpflicht eines Vermieters regelmäßig auf den Zeitraum zwischen dem Einsetzen des allgemeinen Verkehrs am Morgen und dessen Ende in den Abendstunden. Wer sich außerhalb dieser Zeiten bewegt, darf eine Verkehrssicherung grundsätzlich nicht erwarten (OLG Düsseldorf WuM 2002, 89, 90; OLG Frankfurt NJW-RR 2004, 312, 313; AG Prüm RuS 2002, 368, 369). Für den Morgen ist die zeitlich relevante Grenze bei etwa 7.00 Uhr zu ziehen (OLG Düsseldorf, a.a.O.); diese Grenzzeit war im vorliegenden Fall unstreitig noch nicht erreicht, als die Klägerin stürzte.

Allerdings handelt es sich nicht um eine absolute Grenze. Wer zu vertreten hat, dass auf seinem Gelände außerhalb der allgemeinen Verkehrszeiten erheblicher Verkehr stattfindet, muss auch für dessen Sicherheit sorgen (OLG Hamm MDR 1998, 538; LG Passau VersR 1997, 590, 591). Das trifft jedoch für den Beklagten nicht zu. Den frühen Schichtwechsel am 30.12.2005 hatte nicht er als Vermieter, sondern der Deutsche Wetterdienst in Ausübung seiner Tätigkeit veranlasst. Zudem hat der Beklagte bestritten, von den besonderen Arbe...

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