Entscheidungsstichwort (Thema)

Startgutschriften der VBL für rentenferne Versicherte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestimmungen zur Berechnung der Startgutschriften für rentenferne Versicherte in §§ 78, 79 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS) in der Fassung nach der 23. Satzungsänderung vom März 2018 sind wirksam.

2. Die ausschließliche Heranziehung des Näherungsverfahrens bei der Berechnung der Startgutschriften verstößt nicht gegen Grundrechte oder grundgesetzliche Wertentscheidungen und steht nicht in Widerspruch zu den Vorgaben des AGG und zu deren unionsrechtlichen Grundlagen.

3. Durch die zeitratierliche Bestimmung der Startgutschriften mit einem nunmehr zwischen 2,25 % und 2,5 % p.a. gleitenden Anteilssatz sind die rechtlichen Bedenken gegen die Vorgängerregelungen des § 79 Abs. 1 VBLS in der Ausgangsfassung und des § 79 Abs. 1a VBLS in der Fassung nach der 17. Satzungsänderung behoben. Die damit verbundene unterschiedliche Behandlung der Versicherten je nach ihrem unterschiedlichen Eintrittsalter bei erstmaliger Pflichtversicherung ist sachlich gerechtfertigt. Die Regelung verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot und stellt keine Altersdiskriminierung dar.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Aktenzeichen 6 O 144/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 29.05.2020, Az. 6 O 144/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, den Beschäftigten der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes auf Grundlage von Versorgungstarifverträgen eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Die Leistungserbringung erfolgt im Rahmen privatrechtlicher Versicherungsverträge, bei denen die Arbeitgeber Versicherungsnehmer und die späteren Leistungsempfänger Versicherte sind. Der Inhalt dieser Verträge wird u.a. durch die Satzung der Beklagten (im Folgenden: VBLS) bestimmt.

Mit Neufassung der Satzung vom 22.11.2002 stellte die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31.12.2001 (Umstellungsstichtag) von einem an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Punktemodell beruhendes, beitragsorientiertes Betriebsrentensystem um. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 01.03.2002 (ATV) vereinbart. Die neugefasste Satzung enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden nach ihrem Wert festgestellt, in Versorgungspunkte umgerechnet und als Startgutschriften den Versorgungskonten der Versicherten gutgeschrieben. Dabei werden Versicherte, bei denen der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist insbesondere, wer am 01.01.2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 01.01.1997 vorweisen kann (vgl. im Übrigen § 79 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3, 3a VBLS). Die Anwartschaften der rentennahen Versicherten werden gemäß § 79 Abs. 2 VBLS weitgehend nach dem alten, auf dem Gesamtversorgungssystem beruhenden Satzungsrecht der Beklagten ermittelt.

Die Anwartschaften der übrigen, zum Umstellungsstichtag etwa 1,7 Mio. rentenfernen Versicherten wurden demgegenüber gemäß den §§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V.m. § 18 Abs. 2 BetrAVG ermittelt und umgerechnet. Danach ist die Startgutschrift eines rentenfernen Versicherten - vereinfacht dargestellt - in zwei Schritten zu bestimmen: Im ersten Schritt ist eine fiktive Zusatzrente zum Umstellungsstichtag zu ermitteln, die als Voll-Leistung (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG) bezeichnet wird. Hierfür wird zunächst eine fiktive Gesamtversorgung des Versicherten auf Basis des höchstmöglichen Versorgungssatzes in Anlehnung an das alte Satzungsrecht (§§ 41 ff. VBLS a.F.) errechnet. Von dieser wird anschließend eine fiktive Grundversorgung des Versicherten in Abzug gebracht, deren Höhe nach dem so genannten Näherungsverfahren gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. f BetrAVG bestimmt wird. Für alle vorstehenden Bewertungen sind die Rechengrößen vom 31.12.2001 maßgebend (§ 78 Abs. 2 VBLS). In einem zweiten Schritt wird sodann die Anwartschaft bestimmt; diese sollte für jedes Jahr der Pflichtversicherung 2,25 % der Voll-Leistung, höchstens jedoch 100 % betragen (§ 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Bet...

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