Leitsatz (amtlich)

1) Verkehrssicherungspflicht: Anforderungen an den Eigentümer, Vorkehrungen gegen Stolpergefahren auf dem Grundstück in der Nähe des öffentlichen Gehwegs zu treffen, und an die Verkehrsteilnehmer, die eigenen Sicherheitsbelange durch aufmerksames Verhalten selbst zu wahren.

2) Es spricht gegen die Annahme einer abhilfebedürftigen Gefahrenstelle, wenn an einem Wohn- und Geschäftshaus (hier: keine eigentliche Einkaufsstraße, Bereich mit gemischter Bebauung) ein Kellerlichtschacht, dessen Umrandung wenige Zentimeter aus der Pflasterung herausragt, deutlich wahrnehmbar ist.

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 06.01.2012; Aktenzeichen 10 O 260/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 6.1.2012 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Münster abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz nach einem Sturz, der sich nach ihrer Behauptung an einem Kellerlichtschacht vor dem Ladenlokal des Beklagten ereignet haben soll.

Am 28.2.2010 gegen 19.30 Uhr stürzte die Klägerin in C-X im Bereich der L-Straße. Das Haus L-Straße gehört dem Beklagten. Das im Erdgeschoss des Hauses betriebene Sportgeschäft hatte schon vor dem Unfall den Betrieb eingestellt. Werbung für das Ladenlokal war noch an der großflächigen Fensterfront zur Straßenseite zu sehen. Ob sich noch Auslagen in dem Geschäft befanden, ist in zweiter Instanz zwischen den Parteien streitig geworden. Zum Unfallzeitpunkt herrschte ein Unwetter (Orkantief Cyntia) mit Sturm und starkem Regen. Die Klägerin fiel auf den rechten Oberarm und zog sich eine dislozierte Humeruskopffraktur zu.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin an einem Kellerlichtschacht vor der Hauswand am Gebäude L-Straße gestolpert und zu Fall gekommen ist.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei von einem Kiosk kommend zum Schutz vor Wind und Regen direkt an der Hauswand entlang gegangen. Die Umrandung des Lichtschachtes habe mindestens 3 cm aus dem Boden herausgeragt. Das sei wegen der schlechten Lichtverhältnisse trotz der unstreitig vor dem benachbarten Kiosk vorhandenen Straßenlaterne kaum zu erkennen gewesen. Deshalb habe sie die Stolperkante nicht gesehen und sei gestürzt. Sie halte wegen der andauernden Verletzungsfolgen ein ungemindertes Schmerzensgeld von 12.000 EUR für angemessen, worauf sie sich eine Mithaftung von 50 % anrechnen lasse.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das LG hat der Klage nach Anhörung der Klägerin teilweise stattgegeben und ein Schmerzensgeld von 3.000 EUR nebst Zinsen unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldensbeitrages der Klägerin zugesprochen. Wegen eines Teils der beantragten Verzugszinsen und des Freistellungsantrages auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sowie im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung des hälftigen Mitverschuldensbeitrages bei dem geltend gemachten Feststellungsantrag hat es die Klage abgewiesen.

Dass die Klägerin über die Begrenzung des Kellerlichtschachtes gestolpert sei, stehe nach ihrer Anhörung zur Überzeugung der Kammer fest. Der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, da er bis zum Unfall den Höhenunterschied der Lichtschächte zum umliegenden Pflaster nicht eingeebnet und so eine Gefahrenquelle geschaffen habe. Selbst wenn der Höhenunterschied nur 2 cm betragen habe, sei die Haftung des Beklagten gegeben. Denn er habe im Hinblick auf das (ehemals) in seinem Haus betriebene Geschäftslokal damit rechnen müssen, dass Fußgänger den Bereich unmittelbar vor dem Schaufenster begehen könnten. Passanten müssten in Bereichen unmittelbar vor dem Schaufenster nicht mit aufragenden Lichtschachtgittern rechnen. Zur Beurteilung sei ein objektiver Maßstab zugrundezulegen, unabhängig davon, ob die Klägerin tatsächlich durch die Schaufenster abgelenkt gewesen sei. Die Klägerin müsse sich ein 50%iges Mitverschulden anrechnen lassen. Sie sei ortskundig gewesen und habe nicht den eigentlichen Gehweg benutzt. Die Lichtschächte seien grundsätzlich erkennbar gewesen. Die Unfallstelle habe auch nicht völlig im Dunkeln gelegen.

Dagegen wehrt sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er rügt einen Verfahrensfehler bei der Verkündung des Urteils, der zur Aufhebung und Zurückverweisung an das LG führen müsse.

Das LG hätte auch in der Sache die behauptete Verursachung des Unfalls nicht einfach durch die Anhörung der Klägerin feststellen dürfen. Der Beklagte habe das Geschehen mit Nichtwissen in zulässiger Weise bestritten. Die Einlassung der Klägerin sei auch nicht nachvollziehbar gewesen. Insbesondere sei es nicht plausibel, dass die Klägerin nach rechts abgebogen sei, als sie die Stufen des neben dem Haus des Beklagten gelegenen Kiosk herabgestiegen sei. Denn sie habe selbst vorgetragen, dass sie ihren Wagen direkt gegenüber dem Kiosk geparkt habe. Die Klägerin sei auch dem Vortrag des Beklagten ni...

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