Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrzeugkaufvertrag: Schadenersatzanspruch aufgrund der Implementierung eines Thermofensters und behaupteter weiterer unzulässiger Abschalteinrichtungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Fahrzeughersteller, der eine Übereinstimmungsbescheinigung trotz der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegeben und dadurch §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV verletzt hat, muss Umstände darlegen und beweisen, die sein Verhalten ausnahmsweise nicht als fahrlässig erscheinen lassen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, VIa ZR 335/21). (Rn. 31)

2. Steht fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Schädigers dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem betreffenden Schutzgesetz infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Schädiger eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 27. Juni 2017, VI ZR 424/16). (Rn. 37)

 

Normenkette

BGB §§ 31, 276 Abs. 2, § 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; EGRL 46/2007 Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1, Art. 46; EGV 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Urteil vom 20.03.2023; Aktenzeichen 2 O 80/22)

 

Tenor

Es ist beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

Der Senat ist davon überzeugt, dass die zulässige Berufung des Klägers vom 10.05.2023 gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg vom 20.03.2023, Az. 2 O 80/22, im Sinne des § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO keine Aussicht auf Erfolg hat.

Eine Berufung kann gem. § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Landgericht hat die Klage zu Recht vollumfänglich abgewiesen.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte als Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors des Typs EA 288 (EU 6) nach keiner erdenklichen Anspruchsgrundlage ein Schadensersatzanspruch auf (anteilige) Erstattung des zum Erwerb des Fahrzeugs geleisteten Kaufpreises oder auf Ersatz eines Differenzschadens zu.

a) Insbesondere steht dem Kläger gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung; nachfolgend: EG-FGV) i.V.m. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.09.2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie; nachfolgend: Richtlinie 2007/46/EG) i.V.m. Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171 vom 29.06.2007; nachfolgend: VO 715/2007/EG) zu.

Bei diesen Vorschriften handelt es sich nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-100/21 vom 21.03.2023, Celex-Nr. ..., juris, zwar um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Der Europäische Gerichtshof hat in dem Urteil vom 21.03.2023 entschieden, dass die Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG i.V.m. Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG dahingehend auszulegen seien, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG ausgestattet ist. Ein Fahrzeugkäufer könne erwarten, dass ein mit einer Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG versehenes Fahrzeug die Vorgaben des Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG einhält und nicht potentiell von Betriebseinschränkungen bzw. einer Betriebsuntersagung bedroht ist. Andernfalls sei er in seinen individuellen Vermögensinteressen verletzt.

Weiter hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 26.06.2023, Az. VIa ZR 335/21, juris, zwar entschieden, dass einem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der VO 715/2007/EG versehenen Kraftfahrzeugs unter den Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV grundsätzlich ein Anspruch gegen den Fahrzeughersteller auf Ersatz des Differenzschadens zusteht.

Das ...

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