Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung nach § 355 BGB und Fristbeginn

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verwendet der Unternehmer zur Belehrung das entsprechende Muster aus der BGB-InfoVO, so genügt seine Belehrung regelmäßig den gesetzlichen Anforderungen (§ 14 Abs. 1 InfoVO).

2. Nach dem Wortlaut des § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB kommt es für den Fristbeginn nicht zwingend auf den Vertragsabschluss und die "Vertragsurkunde" an. Es genügt auch, wenn die Widerrufsbelehrung zeitgleich mit dem schriftlichen Antrag des Verbrauchers erteilt wird. Beim Empfang der Belehrung muss der Verbraucher im Besitz seiner eigenen Vertragserklärung sein - nicht notwendig des Vertrages -, weil sich die Widerrufsbelehrung auf diese konkrete Vertragserklärung bezieht.

 

Normenkette

BGB §§ 13, 355 Abs. 2, § 492 Abs. 1, § 495 Abs. 1; BGB-InfoV § 14 Abs. 1 Fassung: 2004-12-07

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 18.05.2011)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 23. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 18.5.2011 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger beansprucht von der beklagten Bank nach erklärtem Widerruf des mit dieser geschlossenen Darlehensvertrages die Rückzahlung seiner in einen teilweise von der Beklagten fremdfinanzierten Fondsbeitritt geflossenen Eigenmittel.

Der Kläger unterbreitete am 17.11.2004 in einer mit "Beitrittsvereinbarung/Darlehensvertrag" gekennzeichneten Urkunde der Fondsgesellschaft das Angebot zu einem Beitritt zum Fonds und der Beklagten das Angebot zum Abschluss eines Darlehensvertrages. Der Kläger beabsichtigte, sich aus Gründen der Steuerersparnis mit einer Einlage von EUR 50.000 an dem X-Fonds der A. zu beteiligen. Die vom Kläger aufgewendeten Eigenmittel beliefen sich auf EUR 26.600,00. Der restliche Betrag i.H.v. EUR 23.400 sollte von der Beklagten fremdfinanziert werden. Mit einer Abschrift des Vertragsangebots wurden dem Kläger die Vertragsunterlagen und eine Widerrufsbelehrung ausgehändigt, in der es sowohl bezüglich der Beitrittsvereinbarung zum Fonds als auch bezüglich des Darlehensvertrages hieß:

"Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung."

Die Fondsgesellschaft nahm das Angebot des Klägers am 26.11.2004 an. Das Angebot zum Abschluss des Darlehensvertrages nahm die Beklagte am 7.12.2004 an.

In den Jahren 2005 bis 2010 erhielt der Kläger Ausschüttungen i.H.v. insgesamt EUR 5.240,83. Darüber hinaus wurden von den Fondsausschüttungen die Zins- und Tilgungsleistungen gegenüber der beklagten Bank beglichen.

An steuerlichen Verlustzuweisungen fielen in den Kalenderjahren 2004 bis 2009 insgesamt EUR 8.328,25 an. Im Jahre 2009 führte die Steuerverwaltung bei der Fondsgesellschaft eine steuerliche Betriebsprüfung durch. Der sich auf die Kalenderjahre 2004 und 2005 beziehende Prüfbericht vom 13.8.2009 kam zu dem Ergebnis, dass steuerliche Verluste bei Film- und Fernsehrechten, da zum Umlauf und nicht zum Anlagevermögen gehörend, nicht als abschreibungsfähig anerkannt werden könnten.

Am 12.3.2010 erklärte der Kläger über seine anwaltliche Bevollmächtigte den Widerruf des Darlehensvertrages.

Mit der vorliegenden Klage beansprucht der Kläger die Differenz aus den eingesetzten Eigenmitteln ( EUR 26.600,00) und den an ihn geflossenen Ausschüttungen ( EUR 5.240,83).

Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht, die ihm erteilte Widerrufsbelehrung sei unwirksam. Sie verstoße gegen das Deutlichkeitsgebot. Dass sie der damaligen Fassung der "BGB-InfoVO" entspreche, führe nicht zu ihrer Wirksamkeit, da es für die Verordnung an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage fehle, weshalb sie nichtig sei. Unter Berufung auf ein verbundenes Geschäft hielt der Kläger die Beklagte für verpflichtet, ihm die eingesetzten Eigenmittel zurückzuzahlen.

Wegen der im ersten Rechtszug gestellten Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte hat sich erstinstanzlich damit verteidigt, die Widerrufsbelehrung entspreche dem Muster der BGB-InfoVO und sei daher wirksam. Der Widerruf des Klägers sei verfristet erfolgt. Außerdem hat sie geltend gemacht, dass der Kläger sich zur Höhe die erhaltenen Steuervorteile abziehen lassen müsse.

Das LG hat die Beklagte - von einem geringfügigen Teil der beanspruchten Zinsen abgesehen - antragsgemäß verurteilt. Das LG hat den vom Kläger am 12.3.2010 erklärten Widerruf des Darlehensvertrages für wirksam erachtet und ein Rückabwicklungsverhältnis angenommen. Die ihm erteilte Widerrufsbelehrung hat das LG als unwirksam erachtet, da sie sachlich unzutreffend sei, weil die Widerrufsfrist tatsächlich erst am Tage nach ihrem Zugang zu laufen beginne...

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