Leitsatz (amtlich)

Gutgläubiger Erwerb nach Entwendung des Autos während Probefahrt

 

Normenkette

BGB §§ 855, 932, 935

 

Verfahrensgang

LG Marburg (Urteil vom 25.04.2018; Aktenzeichen 1 O 158/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.09.2020; Aktenzeichen V ZR 8/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 25.4.2018 - 1 O 158/17 - abgeändert.

Das Versäumnisurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichtes Marburg vom 12.3.2018 - 1 O 158/17 - wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, das Fahrzeug vom Typ Mercedes Benz V 220d (V-Klasse), "Modell1", Fahrzeug-ID ..., Erstzulassung 09/2016, Farbe cavansitblaumetallic, sowie den zugehörigen Fahrzeugschlüssel an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.642,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2017 zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug und der Berufung mit Ausnahme derjenigen Kosten zu tragen, die durch die Säumnis der Klägerin verursacht sind.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheit in Höhe 60.000,00 Euro abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um den gutgläubigen Eigentumserwerb der Beklagten an einem von der Klägerin bei einer Probefahrt einem Interessenten überlassenen Personenkraftwagen.

Die Klägerin, die Mercedes-Benz Vertragspartnerin mit Hauptsitz in Stadt1 ist, befand sich am 26.8.2017 im Eigentum und Besitz des aus dem Tenor ersichtlichen, von ihr als Vorführwagen genutzten und zu Campingzwecken geeigneten Mercedes Benz V 220d "Modell1" mit einem damaligen Wert von 52.900 Euro. An diesem Tag erschien bei ihr gegen 11:20 Uhr eine männliche Person, die sich mit dem Ziel einer Probefahrt mit dem Mercedes als A aus Stadt2 ausgab und sich mit jeweils hochwertigen Fälschungen eines italienischen Personalausweises, eines italienischen Führerscheins und einer Meldebestätigung der Stadt2 auswies. Die Klägerin kopierte diese Unterlagen und vermerkte in einem als "Fahrzeug-Benutzungsvertrag" bezeichneten Formular (Bl. 5 der Beiakte Staatsanwaltschaft Stadt3 .../17) neben den Personalien des A die Durchführung einer Probefahrt mit einer Haftungsreduzierung auf 1.000 EUR, einen Kilometerstand von 22.004 km und eine Rückgabezeit am gleichen Tag um 12:30 Uhr (Beginn 11:30 Uhr). Ebenfalls notierte sie die von dem A angegebene funktionsfähige Mobilfunknummer, die allerdings tatsächlich nicht auf diesen, sondern auf eine unbekannte Person ausgegeben war. Dem A händigte die Klägerin für die unbegleitete Probefahrt neben dem Mercedes und einem Fahrzeugschlüssel das für rote Kennzeichen bestimmte Fahrtenbuch- und Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I aus und befestigte am Fahrzeug die für Probefahrten von der Zulassungsstelle für die Klägerin ausgegebenen roten Kennzeichen X.

Nachdem der A gegen 11:30 Uhr das Betriebsgelände mit dem Mercedes verlassen hatte, meldete er sich gegen 12:20 Uhr telefonisch bei der Klägerin und teilte mit, dass er sich bei seiner Rückkehr etwas verspäten werde. Gegen 13:00 Uhr versuchte die Klägerin mehrfach vergeblich, den A telefonisch zu erreichen und unterrichtete schließlich die Polizei über den Verlust des Fahrzeuges, die die Sachfahndung einleitete und - bis heute - gegen Unbekannt ermittelt.

Anfang September 2017 wurde die Beklagte bei dem Internetverkaufsportal "mobile.de" auf den dort inserierten Mercedes aufmerksam und nahm telefonisch Kontakt mit dem für den Ort1 angegebenen Privatanbieter auf. Zum Zweck des Kaufes zum Preis von 46.500 EUR vereinbarte die Beklagte mit dem ihr unbekannten Verkäufer mit ausländischem Akzent ein Treffen am 15.9.2017 am Hauptbahnhof in Stadt4. Nach dort von Gemeinde1 angereist dirigierte eine unbekannte Person die Beklagte, deren Ehemann und deren Tochter telefonisch zu einem Treffpunkt am Hauptbahnhof. Dort erschien eine männliche Person, die sich unter Vorlage einer ausweisähnlichen Plastikkarte - deren näherer Inhalt unklar ist - als B aus Ort1 (Bundesland1) ausgab. Eine Person mit diesem Namen und der angegebenen Anschrift existiert bei den deutschen Melde- und Ausländerbehörden nicht. Der B legte eine auf seinen Namen und Adresse ausgestellte hochwertige Fälschung jeweils einer Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II der Stadt4 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer des Mercedes, eine Prüfbescheinigung für die Flüssiggasanlage sowie ein Serviceheft vor. Die Zulassungsbescheinigung war auf einem Originalpapier angefertigt, das am 24./25.11.2015 in der Kfz-Zulassungsstelle in Stadt5 entwendet worden war. Die Beklagte, die die Fälschung nicht erkannte, schloss mit dem B auf einem gängigen ADAC Pkw-Kaufvertragsformular (Bl. 41 d. A.) einen...

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